„Man darf seine Sicherheit niemals als selbstverständlich ansehen“

Vor 25 Jahren begann die NATO-Osterweiterung – heute erweist sie sich als überlebenswichtig für Europa

Nie mehr sollten deutsche Soldaten in solchen Staaten präsent sein, die zur Zeit des Dritten Reichs von der Wehrmacht besetzt waren. Diese sogenannte „Kohl-Doktrin“ dominierte die bundesdeutsche Verteidigungspolitik nach Ende des Kalten Krieges. Wenn diese Festlegung auch bereits im Zuge der jugoslawischen Nachfolgekriege brüchig geworden war, hat sich seither das geo- und sicherheitspolitische Lagebild noch fundamentaler gewandelt: Heute tragen deutsche Streitkräfte gemeinsam mit einst von Deutschland okkupierter Staaten gemeinsam Verantwortung für die Freiheit und den Frieden – insbesondere, aber nicht nur des östlichen – Europas.

Möglich wurde dies durch die NATO-Osterweiterungen, deren erste sich am 12. März zum 25. Male gejährt hat. Damals traten Polen, Tschechien und Ungarn dem westlichen Verteidigungsbündnis bei. Fünf Jahre später folgten Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, die Slowakei und Slowenien, vor 15 Jahren Albanien und Kroatien, 2017 Montenegro sowie 2020 Nordmazedonien. In Prag wurde das Jubiläum mit einer Konferenz unter dem Titel „Unsere Sicherheit kann nicht als selbstverständlich angesehen werden“ begangen. In seinem Eröffnungsvortrag hob der seinerzeitige US-Präsident Bill Clinton die Bedeutung des historischen Ereignisses für das gesamte Verteidigungsbündnis ebenso hervor wie die Notwendigkeit, das Erreichte weiterzuentwickeln: „Ich denke, dass es eine gute Investition war. Es war ein gutes, vernünftiges Risiko, und es hat die NATO immens gestärkt. Und das Motto dieser Konferenz ist heute genauso wahr wie damals, vielleicht sogar noch wahrer: Man darf seine Sicherheit niemals als selbstverständlich ansehen. Wir wissen, dass wir mehr Netzwerke der Zusammenarbeit brauchen.“

Die Zusammenarbeit innerhalb der NATO schließt die Präsenz deutscher Waffenträger gerade auch im östlichen Europa ein – nicht als notwendiges Übel, sondern als Ausdruck gemeinsamer Wehrhaftigkeit. Dies gilt auch für das diesjährigen NATO-Manöver „Steadfast Defender 2024“ mit insgesamt ca. 90.000 Soldaten, mit dem Stärke und Verteidigungsbereitschaft gegenüber Russland bezeugt werden sollen. Dieses größte NATO-Manöver seit 35 Jahren und der deutsche Beitrag hierzu dokumentieren damit nicht nur ein weiteres Mal die Abkehr von der Kohl-Doktrin, sondern ebenso die Überwindung der lange grassierenden sicherheitspolitischen Naivität gegenüber dem Kreml.

Die Bundeswehr beteiligt sich mit 12.000 Soldaten, 3.000 Fahrzeugen und vier Teilübungen im Rahmen ihres Manövers „Quadriga 2024“. Dabei gehören – neben Norwegen (Übung „Grand North“) – drei der vier Zielländern zu den in den letzten 25 Jahren beigetretenen Staaten: Polen („Grand Center“), Litauen („Grand Center“ und „Grand Quadriga“) sowie Rumänien und Ungarn (beide im Rahmen von „Grand South“). Bei den Quadriga-Übungen handelt es sich um Verlegeübungen, in deren Anschluss sich die deutschen Einheiten an weiteren NATO-Übungen beteiligen.

In Polen sind dies die Übungen „Dragon“ und „Saber Strike“. Im Rahmen der vom 25. Februar bis zum 14. März mit 20.000 Soldaten abgehaltenen Übung „Dragon“ kam es am 4. März zu einem durchaus sinnfälligen Moment. Wohlgemerkt im 85. Jahr nach dem deutschen Überfall auf Polen, beteiligten sich Soldaten vom Deutsch/Britischen Pionierbrückenbataillon 130 aus dem nordrhein-westfälischen Minden an einer Überquerung der hochwasserführenden Weichsel – just an der einstigen deutsch-polnischen Grenze bei Kurzebrack (Korzeniewo) im früheren Landkreis Marienwerder. Das Dorf liegt zudem nur etwa 70 Kilometer südlich der Danziger Westerplatte, die zum Symbol des deutschen Angriffskriegs geworden ist.

Dass die Symbolträchtigkeit von Ereignis und Ort in den Medien kaum wahrgenommen wurde, mag als Indiz für das Vertrauen gelesen werden, das zwischen einstigen Weltkriegs-Gegnern wachsen konnte und heute als selbstverständlich erscheint. Dem steht in krassem Kontrast die Konfrontation Russlands mit den von ihm bis 1990 dominierten Sowjetrepubliken und Warschauer-Pakt-Staaten in einer modifizierten Fortsetzung des Ost-West-Konflikts gegenüber. Es waren nicht zuletzt die vom Kreml ausgehenden Hegemonialansprüche ihnen gegenüber, die die NATO-Osterweiterungen förderten. Wie berechtigt – ja überlebenswichtig – die Entscheidung der damaligen Beitrittskandidaten für die Mitgliedschaft war, daran gemahnt ein weiterer Jahrestag, dessen im März zu gedenken war: derjenige der völkerrechtswidrigen Krim-Annexion, mit der Russland seinen heute bereits zehn Jahre währenden Krieg gegen die Ukraine eröffnete.

Wladimir Putin wiederum stellt – als konstitutives Argument seiner Kriegsrhetorik – eben die NATO-Osterweiterung als einen Vertragsbruch des Westens dar. Ihr habe man im Zuge der Verhandlungen um den Zwei-plus-vier-Vertrag eine verbindliche Absage erteilt. Neueste Untersuchungen der Historikerin Mary Elise Sarotte („Nicht einen Schritt weiter nach Osten. Amerika, Russland und die wahre Geschichte der Nato-Osterweiterung“, München 2023) straft diese Mär Lügen. Gegenüber der „Berliner Zeitung“ fasste Sarotte das Ergebnis ihrer Forschungen dahingehend zusammen, dass die „Vertreter Englands, Frankreichs und der Vereinigten Staaten darauf [bestanden], dass der Abschlussvertrag zur deutschen Einheit der Nato explizit erlauben müsse, die Sicherheitsgarantie von Artikel 5 auf Ostdeutschland auszudehnen, also über die Grenzlinie des Kalten Kriegs hinaus. Der Abschlussvertrag müsse deutschen und nicht-deutschen Truppen erlauben, diese Linie ebenfalls zu überschreiten, sobald die Rote Armee abgezogen sei. Die Alliierten haben beide Ziele erreicht. Der Vertreter Moskaus unterzeichnete den Vertrag und die Sowjetunion ratifizierte ihn. Die sowjetische Führung nahm zugleich die damit verbundene finanzielle Unterstützung entgegen, die während der Verhandlungen für ihre Unterschrift und die Ratifizierung zugesagt worden war.“

Wer weiß, welche Entwicklungen die politischen Vertreter Russlands künftig werden akzeptieren müssen, sollte sich die freie Welt in ihrer aktuellen Auseinandersetzung mit dem Kreml durchsetzen. Ganz in diesem Sinne erklärte der polnische Ministerpräsident Donald Tusk am 13 März in Washington: „Als wir Polen uns auf den Weg in den Westen machten, sagte Papst Johannes Paul II., dass es ohne ein unabhängiges Polen kein gerechtes Europa geben könne“. „Heute“, so Tusk, „würde ich sagen, dass es ohne ein starkes Polen kein sicheres Europa geben kann. Und natürlich würde ich auch sagen, dass es kein gerechtes Europa ohne eine freie und unabhängige Ukraine geben kann.“

Tilman Asmus Fischer

Erschienen in: Westpreußen – Begegnungen mit einer europäischen Kulturregion 1/2024.

„Der Begriff wird instrumentalisiert“

Der Historiker Manfred Kittel sagt, die militärische Reaktion Israels sei kein Völkermord – egal, wie man es dreht und wendet

Die Hamas wirft Israel Völkermord vor – das ist nicht der Fall, sagt der Regensburger Zeithistoriker Manfred Kittel. Im Interview mit Tilman A. Fischer erläutert er, wie die Rezeptionsgeschichte des Genozidbegriffs in Deutschland die Wahrnehmung militärischer Konflikte beeinflusst – nicht zuletzt auch in der Ukraine.

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In: Berliner Zeitung, 1. November 2023, S. 11.

Verstehen und Verständigung

Bundestagspräsidentin a. D. Rita Süssmuth – Zeitzeugin im Gespräch

Rita Süssmuth war eine der prägenden Gestalten der späten Bonner und frühen Berliner Republik, zumal als Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit von 1985 bis 1988 sowie insbesondere als Präsidentin des Deutschen Bundestages von 1988 bis 1998. Zudem ist die 1937 in Wuppertal geborene CDU-Politikerin bis heute – neben anderen Themenfeldern – intensiv mit Fragen der deutsch-polnischen Beziehungen befasst: nicht nur als Präsidentin des Deutschen-Polen-Instituts, sondern ebenso als Kuratoriumsvorsitzende der Deutsch-Polnische Gesellschaft und Vorstandsmitglied der im Geiste des Weimarer Dreiecks arbeitenden Stiftung Genshagen. Dies macht sie zum einen zu einer Zeitzeugin der Deutschland- und Ostpolitik der Jahre ihrer Verantwortung in Regierung und Parlament und zum anderen zu einer erfahrenen Beobachterin der gegenwärtigen Phase intensiver Herausforderungen für den Zusammenhalt Europas. In einem Gespräch mit Tilman A. Fischer gab sie Einblick in ihre historischen Erfahrungen wie in ihre Gegenwartsanalysen. Entstanden ist so das intellektuelle Porträt einer zentralen Persönlichkeit im deutsch-polnischen Dialog.

Frau Professor Süssmuth, Sie sind in Westdeutschland geboren und aufgewachsen. In welchem Zusammenhang wurde hier ‚der Osten‘ für Sie erstmals thematisch?

Das war in der Nachkriegszeit. Wir waren evakuiert in einem Dorf auf dem Lande und da wurden samstagsmorgens immer die Backplatten – die einen mit Brot, die anderen mit Kuchen – zum Bäcker gebracht, um da abgebacken zu werden. Da habe ich erlebt, dass die Platten der Flüchtlinge immer als letzte drankamen. Da habe ich zuhause gefragt: „Was machen die da eigentlich? Warum heißt es, ‚der Ofen ist voll‘? Da flackerte in mir etwas auf. Das hat zwar nicht zum Polen-Interesse geführt, hat mich aber sensibilisiert: Warum werden die Flüchtlinge – und das waren Deutsche aus dem Osten – anders behandelt als Einheimische. Es gibt Zugehörige und solche, die an den Rand gedrängt werden. Das Flüchtlingsproblem habe ich erst viel später tiefer verstanden; denn meine Kindheit dominierte die Frage nach dem eigenen Überleben: Man sorgte für sein Überleben, ging hamstern, alles Mögliche sammeln, Eier zu bekommen und so weiter.

Dennoch gewann der Themenkreis Deutschland und Ostmitteleuropa für Sie an Bedeutung. Wie kam es dazu?

Als ich zur höheren Schule kam zu den „Schwestern der Christlichen Liebe“ – oder auch der Strenge – in Lippstadt, habe ich mich sehr für Geschichte interessiert und war da auch entsprechend begabt. In dieser Zeit war mein Vater – ein Pädagoge – am Wiederaufbau der Lehrerbildung beteiligt. Und auf seinem Schreibtisch sah ich immer die „Frankfurter Hefte“ – rote Hefte mit bestimmten Themen. Das hat mich interessiert: Was macht Dein Vater da? Das war eine Mischung aus politisch-kritischen, sozialen und Bildungsfragen – und so weiter. Das hat mich wach gemacht. Dann kam die Mittlere Reife und ich wollte von der Schule abgehen, um Krankenschwester zu werden. Da sagte mein Vater: „Rita, mach doch wenigstens Abitur!“ Als ich dann das Abitur in Rheine gemacht hatte, sagte er: „Und jetzt studier‘ bitte Jura!“ – „Oh Schand‘!“, dachte ich da und ich sagte ihm: „Nein, das kann ich nicht – ich habe keine Beziehung dazu. Ich muss etwas machen, wovon ich schon jetzt was erlebt und Ahnung haben. Ich werde Romanistik und Geschichte studieren.“ Ich war entschlossen, als Lehrerin in die Schule zu gehen. Diese Fächer habe ich zunächst in Münster, dann in Tübingen, dann in Paris an der Sorbonne studiert.

Dies freilich klingt eher nach einer Westorientierung.

In dem Studium stieß ich dann aber nicht nur auf den Westen, sondern entdeckte plötzlich auch die reiche Geschichte Ostmitteleuropas: Da war ein Mediävistik-Professor, und der beschäftigte sich eben gerade mit Mittel- und Osteuropa. Ich besuchte seine Seminare und er lud mich dann ein, als ich 1961 das Examen gemacht hatte, mit auf eine Studienfahrt zu kommen.. Zunächst habe ich sein Oberseminar auch noch mitgemacht, aber ich hatte dann das Angebot für einer Dissertation und promovierte über die „Anthropologie des Kindes“. Mit der Anstellung als Assistentin von Robert Spaemann an der Universität in Osnabrück folgte dann auch der berufliche Durchbruch an die Universität. Jedoch habe ich parallel zur Universität immer auch andere Themen verfolgt: Ich betrieb weiter Geschichtsstudien, obwohl ich ja das Examen in Alter und mittelalterlicher Geschichte bereits hatte – aber ich muss sagen: Das war mehr ein Auswendiglernen gewesen. Verstehen der Geschichte habe ich erst durch die Franzosen gelernt – abstrakt gesprochen durch die Strukturalisten, denen es darum ging, nicht nur politische, sondern auch Sozial- und Kulturgeschichte zu betreiben. Das eröffnete auch einen neuen Blick auf unsere östlichen Nachbarn.

In welcher Beziehung steht Ihr persönlicher Perspektivwechsel zu den Umbrüchen in der deutschen Politik – mithin der politischen Kultur – in den 1960er und 1970er Jahren?

Dies waren für mich die entscheidenden Entwicklungsjahre. Ich war damals zwar durch meinen Berufseinstieg zur Kämpferin für Frauen geworden, aber noch nicht zu einer richtigen Kritikerin. Dies geworden zu sein, verdanke ich den 68ern. Meine Partei freut sich nicht, wenn ich sowas sage. Was kann denn an den 68ern gut gewesen sein? Ja, die haben die Fragen gestellt – auch im Parlament. Die 68er-Bewegung klärte die Menschen auf – im Sinne Kants: ihren eigenen Verstand zu gebrauchen. Und das ist ja das Entscheidende, so entsteht Verstehen und erst durch Verstehen kommt dann die Verständigung zustande – eben auch mit Völkern, zu denen eine historisch belastete Beziehung besteht.

Welche Bedeutung kam dieser Verknüpfung zwischen Verstehen und Verständigung gerade mit Blick auf den damaligen Ostblock zu?

Die Spaltung Europas hat nicht nur in Form von physischen Grenzen existiert, sondern auch in den Köpfen. Das waren immer „die Anderen“. Wir haben jahrelang den Westen positiv gesehen und den Osten als die zu Befreienden. Polen, die Tschechoslowakei – in all diesen Ländern gab es auch eigene Bewegungen, deren Denken wir eigentlich viel zu wenig zur Kenntnis genommen habe.

In Ihrer Partei sind sie auch als eine Unterstützerin der „Neuen Ostpolitik“ – und in diesem Kontext durchaus auch als eine Kritikerin der Vertriebenenverbände – in Erscheinung getreten. Wie haben Sie diese Konstellation wahrgenommen?

Für manche in der Union war ich nie eine richtige Parteizugehörige – wahrscheinlich auch nicht genug Parteisoldat. Ich habe Schwierigkeiten, das gebe ich zu, mit so einem unmittelbaren Gehorsam. Da hatten meine Eltern schon Schwierigkeiten. Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt hatte – das kriegte man nicht so schnell da wieder raus. Es gab damals eine Hauptunterstützung von den reformerischen Kräften. An der Spitze Heiner Geißler. Heiner Geißler war ein Kämpfer, der auch manchmal über seine Grenzen ging, auch in der Verletzung anderer Menschen. Später hat er sich dann immer wieder entschuldigt.

Aber es gab in der Union doch auch genug meinungsstarke Kritiker Ihrer Position.

Ja, aber Herbert Czaja und einige der Hauptmatadore der Vertriebenenverbände haben im Laufe der Zeit auch gelernt. Wir haben einerseits die „große Zeit“ der Vertriebenenverbände vor Augen, die die deutsche Politik sehr beeinflusst haben, auch wegen ihrer Wählerstimmen – mit denen man sich gutstellen musste. Wir haben aber auch die heutige Zeit vor Augen, in denen viele Akteure aus den Vertriebenenverbänden ganz wesentlich zur Verständigung in Europa beitragen. Dort, wo heute die Vertriebenen wieder in ihr altes Heimatland kommen und die heute dort Lebenden sie bitten: „Kommt doch mal rauf und wir trinken eine Tasse Kaffee zusammen!“, da erleben wir heute, dass gerade eine Region wie Oberschlesien die Region der Verständigung ist – inmitten des von der PiS dominierten Polen. Ähnliches gilt für Danzig. Umso schlimmer sind die Reparationsforderungen aus Warschau, die keiner mehr bezahlen kann..

Lassen Sie uns gerne später auf diesen Punkt zurückkommen – hier aber noch kurz in der Retrospektive verweilen! Wie entwickelten sich in den sogenannten Wendejahren Ihre persönlichen Beziehungen nach Polen?

Ich habe in der Geschichte ja viel erfahren, von den furchtbaren Dingen, die im Zweiten Weltkrieg und danach auch passiert sind. Nach Polen war ich noch nicht gekommen, aber wir hatten wenigstens Informationen aus zweiter Hand. Polen hat sich für mich eigentlich erst ab den frühen 1980er Jahren eröffnet und eine führende Persönlichkeit war Władysław Bartoszewski, ein Widerständler und ein wunderbarer Mensch. Auch wenn er, wie ich jetzt im Augenblick, nicht aufhören konnte zu reden. Aber durch ihn habe ich viel über Polen verstanden. Vorher habe ich studiert, dies sicherlich auch engagiert – aber ich habe noch nicht viel verstanden. Gewusst habe ich eine Menge, aber das ist weniger als Verstehen.

Wann sind sie ihm, Bartoszewski, das erste Mal begegnet?

Ich bin ihm das erste Mal 1985 begegnet. Aber da war er mir natürlich bereits bekannt: Er gehört zu den Personen, die schon vorher die Kontakte hergestellt haben, gerade über den religiösen Austausch; denn natürlich hatte ich die Diskussion um die neue Ostpolitik, in welcher der „Botschaft der polnischen Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder zur Versöhnung“ von 1965 eine große Bedeutung zukam, intensiv verfolgt – und in dieser Zeit war Bartoszewski bereits im von den Kirchen betriebenen Dialog engagiert. Eine zentrale Rolle kam damals den jungen Menschen von Aktion Sühnezeihen zu, die jüdische Opfer pflegten (es gab ja noch keinen Ausgleich und keine Versorgung für sie). Über diese kirchlichen Kontakte bekam er Reiserecht nach Deutschland und hat seitdem die Verständigung wirklich auch in unserem Land betrieben.

Dies taten Sie selbst dann auch vor Ort in Polen. Wie waren Ihre ersten Eindrücke von unserem östlichen Nachbarland?

Als die Solidarność stärker wurde, und als sich dann 1989 die Grenzen öffneten, war meine erste Wahrnehmung: In der DDR hatte man Angst gehabt, überhaupt hineinzufahren – wahnsinnige Kontrollen; und wenn man nach Polen fuhr, brauchte man kaum den Kofferraum aufzumachen. Auch in der Akademie der Wissenschaften ein völlig anderer Ton als bei den Kollegen in der DDR. Und bei den Reisen in diesen Jahren habe ich die ersten Solidarność-Leute in Warschau kennengelernt. Das geschah abends in der Botschaft ohne großes Aufsehen – einfach zum vertraulichen Gespräch. Da war Adam Michnik, heute Chefredakteur der Gazeta Wyborcza – ein etwas schwieriger Typ, aber ich habe ihn sehr geschätzt wegen seiner Einstellung, aber auch wegen seines Wissens. Ich habe heute noch Kontakt mit Lech Wałęsa in Danzig. Er ist jetzt älter geworden und etwas gebrechlich, nimmt aber weiterhin an den Demonstrationen der heutigen polnischen Opposition teil. Sie sehen, da ist was geblieben.

Welche Fragen und Themen sind Ihnen heute in den Beziehungen Deutschlands zu den Nachbarn in Ostmitteleuropa bedeutsam?

Im Augenblick kämpfe ich zum einen für Ungarn – ziemlich auf einsamem Posten. Wir Deutschen sind manchmal sehr lehrmeisterhaft und restriktiv: Ihr seid nicht gehorsam und haltet die Rechtsordnung nicht ein, die Gewaltenteilung – und jetzt fordern wir Sanktionen. Die Analyse ist zutreffend, ja aber statt zu sanktionieren müssen wir besonders viel mit den Andersdenkenden sprechen. Wichtig ist mir heute zum anderen und insbesondere seit dem totalen Bruch in der West-Ost-Beziehungen: Ich höre nur von morgens bis abends: „Die Ukrainer müssen den Krieg gewinnen.“ Es kommt nie die Frage auf: Was machen wir eigentlich, wenn sie ihn nicht gewinnen? Wir werden gleichsam alle plötzlich zu Konformisten. Die andere Seite – was machen wir, wenn nicht – muss doch auch bedacht werden und die fehlt mir heute, auch in meiner eigenen Partei. Ja, Engagement für die Ukraine – aber wir müssen immer auch bedenken: Es könnte anders kommen, als wir es erhoffen. Wir können ja nicht sagen: keinerlei Kontakt mehr – weder wissenschaftlich noch ökonomisch. Das kann ich mir nicht vorstellen. Da muss wieder Neues entstehen, wie es entstanden ist nach dem Zweiten Weltkrieg.

Schwingen in der Hoffnung auf die Möglichkeit von Verständigung noch Erfahrungen aus der Ära Gorbatschow mit?

Damals gab es einen anderen Geist. Ich habe die Suche nach Gesprächen mit Gorbatschow unterstützt und unsere Regierung hat sie gefunden. Ohne Gorbatschow hätten wir keine deutsche Einheit. Das ist meine Position. Es gab damals eine Zeit, in der Gorbatschow auch die Armut in Russland sah, die Unfreiheit der Russen, und ihnen mehr Freiheit gegeben hat. Putin hat nur dasEine gesehen: Er hat unser Land verkleinert. Anders als Gorbatschow ist Putin nicht zu einer größeren europäischen Perspektive in der Lage. Fehler sind aber natürlich auf allen Seiten gemacht worden. So stand das Baltikum in der Phase seines Freiheitskampfes für den Wunsch nach einer Verständigung zwischen Ost und West! Später sind dann die russischsprachigen Minderheiten ausgegrenzt worden, was zur Verschlechterung der Beziehungen beitrug.

Verständigung mit Russland, Fehler auf Seiten der westlichen Staatenwelt – sind das Fragen, die heute im Austausch mit Partnern in Polen, wo man zu Recht mit Sorge auf Russland blickt, angesprochen werden können?

Ja, sicher. Aber nicht mit der PiS-Regierung. Gewiss lässt sich die Haltung Jarosław Kaczyńskis gegenüber Russland auch aus dem dramatischen Schicksal des Verlusts seines Bruders erklären, aber im Sinne Bartoszewski gesprochen: Es muss jederzeit nach christlichem Verständnis möglich sein, wieder aufeinander zuzugehen. Aber für Kaczyński ist der Bruder von Russen ermordet worden. Und das treibt ihn bis heute um und er will es rächen.

Sie hatten die PiS – und auch die polnischen Reparationsforderungen – bereits angesprochen. Was für eine Entwicklung des politischen Diskurses erleben wir da gerade in unserem Nachbarland?

Dass solche Reparationsforderungen artikulierbar sind, hat die PiS erreicht, indem sie eine absolut polarisierte Atmosphäre geschaffen hat. Deshalb bin ich über all die deutlichen Manifestationen der politischen Opposition glücklich, denn da geht nicht einfach ein kleines Grüppchen auf die Straße, sondern Tausende von Menschen, die sich etwa gegen die Gesetzesinitiative gegen Tusk richten, die ihm das Wahlrecht nehmen und alle Schuld auf seinem Haupt versammeln soll. Dabei wird ihm von der PiS insbesondere seine Haltung gegenüber Russland vorgeworfen. Hierzulande wird die Zivilcourage der polnischen Opposition ja teilweise relativiert. Dann heißt es mit Blick auf Demonstrationen: Es war die Stadt und nicht das Land. Ist alles wahr, aber die Demonstrationen zeigen: Da ist ein Volk, das denkt: Was müssen wir an demokratischen Errungenschaften erhalten? Was sind die Grundlagen unserer Freiheit?

Sehen Sie die Perspektive, dass durch die gemeinsame Bewältigung der Krise des russischen Angriffskriegs mit all ihren humanitären Folgen auch die Ost-West-Spannungen in der EU abgebaut werden können – oder ist der Konfliktaustrag nur in einem momentanen Burgfrieden ausgesetzt?

Angesichts des Krieges in der Ukraine versuchen wir heute, gute, oder zumindest normale Beziehungen zwischen Deutschland und Polen zu pflegen. Polen engagiert sich ungeheuer. Sie haben – das kommt noch hinzu – immer eine enge Beziehung zur Ukraine gehabt. Auf der einen Seite ist Europa zusammengewachsen: Die Staaten merken, wir müssen zusammenstehen, nur gemeinsam können wir der Ukraine helfen. Auf der anderen Seite haben wir ständig Entwicklungen, bei denen der eine oder der andere sagt: Wir sind anders. Das betrifft etwa die Gewaltenteilung – in Polen, in Ungarn. Das heißt: auf der einen Seite Annäherung und Zusammenschluss, um ein stärkeres Europa zu schaffen – auf der anderen Seite bleibende Abgrenzungen. Diese Spannungen gilt es klug auszubalancieren.

Welche Streitfragen stehen dabei im Fokus?

Polen vertritt klare politische Standpunkte, was die militärische Aufrüstung betrifft. Manchmal habe ich dabei das Gefühl: Wenn Ihr uns Deutschen jeden Tag neue Dinge abverlangt, denkt Ihr auch daran, welche Risiken das für uns mit sich bringt? Und nicht nur für uns Deutsche – für ganz Europa? Wir müssen doch vielmehr gemeinsam eine Kriegsbeseitigung, einen Stopp der Waffen herbeiführen – und nicht nur für uns, sondern für Europa, wenn diese Idee des Staatenbundes noch eine Chance haben soll.Im Kalten Krieg ging es immer darum: Welche Waffen schützen uns? Welche Abwehrkräfte schützen uns? Und jetzt sind wir wieder in einer solchen Situation: Haben wir überhaupt noch Schutz? Und wir sagen, dieses Europa muss sich retten. – Wir sind aber im hohen Maße abhängig von Amerika. Amerika hat uns geholfen, ganz entscheidend geholfen bei der Wiedervereinigung. Das waren ja Hoffnungsjahre. Im Augenblick aber leben wir in einer Zeit der Unfälle und Enttäuschungen…

Erschienen in: Der Westpreuße – Begegnungen mit einer europäischen Kulturregion 3/2023.

Kunst in Zeiten des Krieges

Die Ukraine zu Gast im Bode-Museum Berlin

Von Tilman Asmus Fischer

„Und er stand auf, nahm das Kind und seine Mutter und ging nach Ägypten“ steht auf Ukrainisch in Anlehnung an Mt 2,13 am unteren Bildrand des Ölgemäldes „Flucht nach Ägypten“ von Alisa Lozhkina. Zu sehen ist es gegenwärtig – gemeinsam mit dem gleichnamigen Relief eines unbekannten Künstlers aus dem 15. Jahrhundert – im Berliner Bode-Museum. Dort haben ein Jahr nach dem russischen Überfall auf die Ukraine die Skulpturensammlung und das Museum für Byzantinische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin die Sonderpräsentation „Timeless. Contemporary Ukrainian Art in Times of War“ eröffnet. Noch bis Mitte März 2024 bringt das Haus Stücke der eigenen Sammlungen aus dem 4. bis 18. Jahrhundert mit Werken zeitgenössischer ukrainischer Künstler ins Gespräch. Entstanden sind diese in den Jahren 2014 bis 2022, also in acht der bisher neun Jahre des Krieges: von der völkerrechtswidrigen Krim-Annexion über den Krieg im Donbas bis zum Angriffskrieg. Kuratiert wurde die Präsentation durch Olesia Sobkovych vom Kiewer Nationalen Museum der Geschichte der Ukraine im Zweiten Weltkrieg.

In ihren – abgesehen von einer Plastik – vornehmlich graphischen Werken bedienen sich die Künstler (neben den in diesem Artikel genannten, sind dies Serhii Druziaka, Oleg Gryshchenko, Serhii Lytvynov, Sergii Radkevych und Konstantin Sinitskiy) in einer Intensität Motiven und Themen aus der christlichen Kunstgeschichte, dass sich aus der Gegenüberstellung mit einzelnen Stücken der Berliner Sammlung ein spannungsvoller Dialog ergibt. So bearbeitet Lozhkina mit dem erzwungenen Heimatverlust ein Urthema der Menschheit und greift zudem dessen biblische Rezeption beim Evangelisten Matthäus auf. Dabei stellt sie – in einem Begleittext, wie er zu jedem der gezeigten Stücke den jeweiligen Künstler selbst zu Wort kommen lässt – in markanter Weise den hl. Josef ins Zentrum: „ein gewöhnlicher Mann, der dazu bestimmt wurde, der Beschützer der zwei wichtigsten Menschen im Universum zu werden“. Mit dieser Akzentsetzung geht es ihr zugleich um eine Deutung des Schicksals heutiger Flüchtlinge aus ihrem Heimatland: „Anders als die Helden aus der ‚Flucht nach Ägypten‘ hatten diese Frauen niemanden, der sie in einem fremden Land beschützte. Ich möchte daran glauben, dass die durch den Krieg getrennten Familien sich sehr bald vereinen, dass alle Flüchtlinge nach Hause zurückkehren und dass niemand jemals wieder vor dem bösen Herodes fliehen muss.“

Freilich, das dominante Motiv in den hier gezeigten Werken ist dasjenige der Gottesmutter: Oleksii Revika thematisiert in „Verlust, 2022-58“ das Schicksal der im Krieg gestorbenen Kinder in Form einer mit Kugelschreiber und goldenem Gel auf Papier geschaffenen Ikone, die Fragment bleibt, da der von Maria im Arm gehaltene Jesus ausgespart ist. In Alla Sorochans digital gestalteten Bild „Freiwilligenbewegung“ bildet das von ebendieser für das Militär gewebte Tarnnetz den Schutzmantel der Gottesmutter. Diese wird in Oleg Gryshchenkos gleichnamigem digitalen Werk ganz dezidiert zur „Schutzmantelmaria der Streitkräfte der Ukraine“. Maryna Solomennykovas „Ukrainische Madonna“ verarbeitet die reale – und in einem berühmt gewordenen Pressefoto dokumentierte – Geschichte von Tatjana Blizniak, die in der Kiewer Metro, geschützt vor russischem Beschuss, ihr Kind stillte.

Es sind in besonderer Weise die Marienbilder, die zeigen, wie – was für die anderen Werke in ihrer jeweiligen Weise ebenso gilt – Motive der christlichen Tradition für eine lebensdienliche Deutung der Gegenwart fruchtbar gemacht werden: Sie können Verlust und Schmerzen ebenso zum Ausdruck bringen wie Hoffnung, Fürsorge und Solidarität. Dabei regen die Bilder durchaus zu theologischen Rückfragen ein. Dies betrifft insbesondere die in den Werken verhandelte Verhältnisbestimmung von Letztem und Vorletztem. Das gilt für die Schutzmantelmadonnen von Sorochan und Gryshchenko ebenso wie für Matvei Vaisbergs Verarbeitung des Motivs des Erzengels Michael im Ölgemälde „Engel der Streitkräfte der Ukraine“. Hier erhält der – fraglos moralisch gerechtfertigte wie gebotene – militärische Widerstand gegen den unrechtmäßigen Angriffskrieg Russlands eine heilsgeschichtliche Aufladung, die durchaus diskutiert werden kann; dies umso mehr angesichts der Sakralisierung des Politischen, wie sie vor und seit Kriegsbeginn völlig zurecht mit Blick auf Russland kritisiert wird. Dass die Kunstwerke solche sensiblen Fragen aufwerfen, ist absolut zu begrüßen.

Bedauerlich ist, dass die Werke der ukrainischen Künstler nicht im Original gezeigt werden können. „Da es unter den aktuellen Umständen kaum möglich ist, ihre Gemälde, Graphiken und Skulpturen nach Deutschland zu transportieren“, so die Staatlichen Museen, „werden sie in der Ausstellung in Form von Fotoreproduktionen gezeigt.“ Dies ist nachvollziehbar – und letztlich ist jede Anstrengung anerkennenswert, trotz des von Kriegsterrors und gegen diesen den kulturellen Austausch zwischen den freien und demokratischen Zivilgesellschaften aufrecht zu erhalten. Dennoch ist das Gefälle, das zwischen den historischen und zeitgenössischen Kunstwerken entsteht, problematisch. So sind die modernen Werke – soweit sie nicht digital erstellt wurden – der Effekte beraubt, die sie entfalten könnten, wenn sie in ihrer vollen Materialität in Erscheinung träten. Zudem sind sie nicht konsequent in ihrer Originalgröße reproduziert – und mithin i.d.R. kleiner als die historischen Vergleichsobjekte. Dies ist umso bedauerlicher bei den digital erstellten Werken, bei denen eine größere Reproduktion per se problemlos hätte möglich sein sollen. Nimmt man nun hinzu, dass diejenigen Reproduktionen die mit historischen Skulpturen ins Gespräch gebracht werden sollen, auch noch hinter diesen an der Wand befestigt sind, legt sich die Formulierung nahe, dass die zeitgenössischen Kunstwerke hier letztlich in den Schatten ihrer historischen Pendanten gestellt sind. So handelt es sich bei dem dargebotenen „Dialog“ zwischen den einzelnen Stücken zumindest nicht um einen solchen auf Augenhöhe; vielmehr scheinen die Werke der ukrainischen Künstler in den Dienst der ‚großen Meister‘ gestellt zu sein, insofern ihnen zugestanden wird, diese zu kommentieren bzw. aktualisieren. Ob dies der notwendigen Wertschätzung für Zeugnisse künstlerischer Gegenwartsdeutungen in einer menschlichen wie politischen Extremsituation Genüge tut, ist fraglich.

Erschienen am 12. Oktober 2023 in der Zeitung „Die Tagespost“ (www.die-tagespost.de).

Den Frieden wagen

Friedensinitiativen sind in die Kritik geraten. Aber ist es wirklich naiv, sich für gewaltfreie Konfliktlösungen einzusetzen?

Unter dem Eindruck des Ukrainekrieges findet vom 10. bis 12. September das internationale Treffen der Gemeinschaft Sant’Egidio unter dem Motto „Den Frieden wagen“ statt. Teilnehmerin Antje Heider-Rottwilm, Vorsitzende von „Church and Peace“ und Pfarrerin im Ruhestand sprach mit Tilman A. Fischer über die Bedeutung aktiver Gewaltfreiheit und den gegenwärtigen friedensethischen Diskurs.

Welche Bedeutung hat das Welttreffen der Gemeinschaft Sant‘Egidio in Berlin?

Antje Heider-Rottwilm: Ich bin froh, dass Sant’Egidio gerade jetzt nach Berlin kommt. Für mich ist an der Gemeinschaft überzeugend, dass das globale Friedensengagement sich entwickelt aus dem konkreten Mitleben mit Menschen am Rande der Gesellschaft weltweit. Sie teilen mit anderen Gemeinschaften– wie etwa den Quäkern und Mennoniten– die Erfahrung gelebter Gewaltfreiheit und Konflikttransformation, wie sie etwa in Afrika seit Jahrzehnten praktiziert, wenn auch hier kaum wahrgenommen wird. Dies ist ein wichtiges Zeugnis hier in Berlin, gerade angesichts des Krieges in der Ukraine.

Dieser währt nun bereits im zweiten Jahr. Wie reflektieren Sie die dortigen Entwicklungen?

Die Befürchtung, dass es eine Eskalation in Bezug auf die Waffenlieferungen geben würde, hat sich bewahrheitet: Erst Munition, dann ging es um die Panzer – und immer gab es ein Zögern der deutschen Regierung, mit guten Gründe für die Zurückhaltung. Dann war jedoch der Druck so groß, dass man mitzog. Jetzt geht es um Kampfjets und Marschflugkörper, die sogar nuklear bestückt sein könnten.

Auch wenn man sich diese Eskalation von Anfang an eingestanden hätte: Die andere politische Option wäre doch gewesen, die Ukraine den Invasoren zu überlassen.

Wahrscheinlich ist verhindert worden, dass der russische Übergriff über die jetzigen Stellungslinien hinausgegangen ist. Aber es ist ein grausamer, brutaler Stellungskrieg, der jetzt in der Ukraine stattfindet. Das US-Verteidigungsministerium spricht von einer halben Million Menschen, die getötet oder verletzt wurden. Das ist unglaublich – und das muss uns, egal auf welcher Seite die Toten sind, zutiefst verstören und erschrecken. Für mich als Christin steht im Vordergrund: diese Trauer über die Opfer auf allen Seiten – auch die Wut auf dieses russische Regime, das sich nicht stoppen lässt. Aber natürlich auch Zweifel…

Woran?

Ob der Weg, der im vergangenen Jahr eingeschlagen wurde, der richtige ist, oder ob es Alternativen gegeben hätte. Damals habe ich gesagt, dass für viele von uns im europäischen Netzwerk von  „Church and Peace“ und in den deutschen Friedensgruppen die Suche nach Alternativen bereits vor Kriegsbeginn nicht glaubwürdig war und die Kompetenz von Friedensforschung und Konfliktprävention, die seit Jahrzehnten global entwickelt worden ist, nicht in dem Maße genutzt wurde, wie dies notwendig und verantwortlich gewesen wäre.

Schreibt sich diese Wahrnehmung fort?

Vom Anfang des Krieges an gab es Stimmen, die gesagt haben: Auch wenn das eine Katastrophe ist, was die russische Regierung da im Moment tut, auch wenn dieser brutale Überfall in keiner Weise zu akzeptieren ist, müssen wir trotzdem Wege suchen, einen Waffenstillstand zu erreichen, um dann alles weitere zu verhandeln. Es hat seit März letzten Jahres in der internationalen Politik eine Fülle von Vorschlägen für einen Waffenstillstand gegeben. Ich werde mich vor Schuldzuschreibungen hüten, aber die Themen „Waffenstillstand“ und „Friedensverhandlungen“ wurden in der Öffentlichkeit diskreditiert zugunsten der dominanten Frage nach militärischer Aufrüstung der Ukraine mit dem Ziel, Russland zurückzudrängen und zu schwächen.

Wenn ich Sie recht verstehe, diagnostizieren Sie quasi „blinde Flecken“ im deutschen Diskurs über den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine.

Durchaus. Mein Blick ist auf diejenigen Facetten dieses Krieges, in denen etwas wahrnehmbar wird, das gestärkt werden muss, und nicht erschlagen werden darf durch den Focus auf die militärischen Optionen. Ein Beispiel: Bereits im Sommer 2022 gab es eine Studie zu aktiver Gewaltfreiheit in der Ukraine, die über 200 Beispiele zivilen Widerstands seitens Ukrainerinnen und Ukrainern dokumentiert. Oder auch: Die Wohnung des Generalsekretärs der ukrainischen pazifistischen Bewegung, Dr. Yurii Sheliazhenko, der Kriegsdienstverweigerer unterstützt, wurde unlängst durchsucht. Er ist angeklagt, die russische Aggression zu rechtfertigen, die er jedoch konsequent anprangert. Das Friedensnetzwerk der  Quäker hat in einem offenen Brief an Präsident Selenskyj die Hoffnung ausgedrückt, dass die Anklage fallengelassen wird und die ukrainische Friedensbewegung ungehindert ihr legitimes Eintreten für Gewaltlosigkeit fortsetzen kann.

Im Windschatten der militärischen und politischen Ereignisse hat sich auch die kirchliche Debatte weiterentwickelt. Wie haben Sie die Diskussion wahrgenommen?

Im vergangenen Jahr wurde hart diskutiert, das heißt auch, dass die seit 2007 formulierte Friedensethik der EKD als naiv desavouiert wurde. Etwas feinsinniger hat Militärdekan Roger Mielke einer „pazifistischen Pflichtethik“ eine „realistische Güterethik“ gegenübergestellt und davor gewarnt, die Balance zwischen beiden aufzulösen. In dieser Debatte ist auch Landesbischof Friedrich Kramer sehr attackiert worden, der sehr glaubwürdig geblieben ist – sowohl mit Blick auf seine Biographie als Kriegsdienstverweigerer und damit Bausoldat in der DDR als auch in seiner Position als EKD-Friedensbeauftragter. Nachdem alles viele Male gesagt worden ist, warten nun alle darauf, was in der vom Friedensbeauftragten einberufenen Friedenswerkstatt geschehen wird.

Welche Erwartungen verknüpfen Sie hiermit?

Die zentrale Herausforderung ist es, der Komplexität im Blick auf die unterschiedlichen Einschätzungen der Ursachen als auch der gegenwärtigen Situation gerecht zu werden. Zugespitzt stellt sich die Frage: Heißt „Anschlussfähigkeit der Friedensethik“, politische Codes zu übernehmen und theologisch zu legitimieren? Oder heißt es, im Wissen um die Brisanz der Situation zu fragen, was die Aufgabe der Kirche auf dem Hintergrund des biblischen Zeugnisses ist?

Erschienen in: Die Kirche – Evangelische Wochenzeitung 37/2023.

Wie das Trauma überwunden werden kann

Theologe Thomas Thiel über die Seelsorge an traumatisierten Menschen

Der evangelische Militärseelsorger Thomas Thiel, zuletzt am Bundeswehrkrankenhaus in Berlin, hat eine wissenschaftliche Studie zur Seelsorge an traumatisierten Menschen vorgelegt. Im Interview mit Tilman A. Fischer spricht er über den Trialog zwischen Traumaerfahrungen, Bibel und Literatur sowie über die Bedeutung des „Frei-Sprechens“ und „Wahr-Sagens“.

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Erschienen in: KOMPASS. Die Zeitschrift des Katholischen Militärbischofs für die Deutsche Bundeswehr 9/2023, S. 12f.

„Postheroische Ehrlichkeit“ erwünscht

Seelische Einsatzfolgen stellen eine Herausforderung dar – sowohl für das Selbstverständnis unserer Gesellschaf als auch für die seelsorgerliche Praxis

Von Tilman Asmus Fischer

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat infolge der sicherheitspolitischen „Zeitenwende“ zu nachhaltigen Erschütterungen und Reorientierungen im friedensethischen Diskurs hierzulande geführt. Jenseits der breiten Debatten um schlagzeilenträchtiger Waffentypen und Friedensforderungen illustrer Provenienz vollziehen sich weitere Aufmerksamkeitsverschiebungen – oder werden zumindest Aufmerksamkeitsdefizite markiert. Dies gilt etwa für den Schnittbereich von Militär, Ethik, Medizin und Seelsorge. Hier zeigt sich eine wachsende und sich wandelnde Sensibilität für seelische Einsatzfolgen.

Diese fordert auch der evangelische Praktische Theologe Dr. Niklas Peuckmann von der Ruhr-Universität Bochum verbunden mit seinem Eintreten für eine „postheroische Ehrlichkeit“ – so auch der Titel seines programmatischen Aufsatzes in der Zeitschrift „Evangelische Theologie“ (6/2022): Dabei geht er von der Beschreibung Deutschlands als einer „postheroischen Gesellschaft“ aus, die „sich nicht (mehr) über heroische Taten konstituiert und ihre Gemeinschaftsidentität auch nicht aus heroischen Erzählungen über zurückliegende Kriege herleitet“, jedoch „auf ein Residuum des Heldenhaften angewiesen zu bleiben“ scheint: „So sind für das Militär und die Polizei heroische Taten und Narrative nach wie vor bedeutsam, vor allem für die eigene Identitätsbildung.“ Für Peuckmann stellt die sicherheits- und damit auch rüstungspolitische Zeitenwende den postheroischen Charakter der deutschen Gesellschaft nicht infrage, macht jedoch in besonderer Weise deutlich, in welchem Maße ebendiese Gesellschaft auf institutionalisierte Formen des „Heldenhaften“ – konkret auf die Armee – angewiesen ist. Von daher sieht er die Gesellschaft in der Verantwortung, „mitauszusprechen, dass eine neue Sicherheitsarchitektur im erheblichen Ausmaß auf Kosten der Personen geht, die diese repräsentieren und zu tragen haben.“ Das „Sichtbarmachen der Einsatzfolgen und der ‚unsichtbaren Veteranen‘“ ist diesem Sinne ist für Peuckmann das  „ein Beitrag zu einer Kultur einer postheroischen Ehrlichkeit, die bislang sowohl von Befürwortern als auch von Gegnern einer (militärisch) wehrhaften Demokratie ausgeklammert wird“.

Dabei geht es bei weitem nicht mehr nur – wie in den frühen 2000er Jahren um Posttraumatische Belastungsstörungen. Vielmehr wird – was in besonderer Weise von moraltheologischer und poimenischer Bedeutung ist – zunehmend die Relevanz von moralischen Verletzungen, moral injury, erkannt.

Diese definiert der promovierte katholische Theologe wie Mediziner Dirk Fischer als „eine tiefgreifende moralische Erschütterung im Rahmen psychisch traumatisierender Ereignisse, bei der eigenes oder fremdes Handeln resp. Nichthandeln im Widerspruch zum Werte- und Normenbewusstsein der Betroffenen steht und mit demselben nicht mehr zur Deckung gebracht werden kann.“ Obwohl es moralische Verletzungem „der Sache nach schon immer gab, werden sie heute infolge der interdisziplinären Moral-Injury-Forschung vermehrt wahrgenommen“, erläutert der Leiter des neu gegründeten Instituts für Wehrmedizinische Ethik in München in der aktuellen Ausgabe der im Auftrag der Görres-Gesellschaft herausgegebenen „Zeitschrift für medizinische Ethik“. Eine große Herausforderung stellten moralische Verletzungen für die Betroffenen wie für ihre Therapeuten dar, „wenn es darum geht, moralische Konflikte ins Wort zu fassen und zu thematisieren; ethische Kompetenz erweist sich hier in mehrfacher Hinsicht als klinisch relevant“.

Viele der Betroffenen – aktive und ehemalige Soldaten, aber auch Angehörige bzw. Hinterbliebene von Soldaten oder etwa Mitglieder des Psychosozialen Netzwerks der Bundeswehr (PSN) – finden seit über zehn Jahren den Weg zu Angeboten des „Arbeitsfeld Seelsorge für unter Einsatz- und Dienstfolgen leidende Menschen“, kurz ASEM, im Evangelischen Kirchenamt für die Bundeswehr. 2012 als befristetes fünfjähriges Projekt ins Leben gerufen, etablierte Militärbischof Sigurd Rink 2017 das ASEM als dauerhaften Aufgabenbereich seiner Behörde. Die stets von Militärgeistlichen geleiteten Maßnahmen reichen von Betroffenenseminaren über Angebote für Partner und Familien oder tiergestützte Formate bis hin zu stabilisierender Einzelfallhilfe in Notsituationen. In den einzelnen Projekten arbeiten die Geistlichen mit interdisziplinären Teams zusammen, in denen sowohl Zivilisten als auch Bundeswehrangehörige und Kompetenzen aus Sozialarbeit, Psychologie, und Medizin sowie unterschiedliche therapeutische Ansätze vertreten.

Dabei bedeutet die Kooperation zwischen Therapie und Seelsorge aus Perspektive der Seelsorgetheorie immer auch ein Wagnis – dies gilt bereits etwa in der Institution Krankenhaus, zugespitzt aber nochmals im Kontext der Bundeswehr, wo die Militärseelsorge innerhalb des PSN mit dem Sozialdienst, dem Sanitätsdienst und dem Psychologischen Dienst der Bundeswehr kooperiert. Das PSN ist, so nochmals Peuckmann, „latent von einem klinischen Imperativ geprägt, der einer medizinischen Codierung (gesund/krank) folgt“: hier kommt der Mensch, anders als in der Seelsorge, als ein zu therapierender – und im militärischen Kontext oftmals wieder einsatzfähig zu machender – Patient in den Blick. „Das ASEM-Projekt“, urteilt Peuckmann jedoch, „scheint insgesamt reflektiert und konstruktiv zugleich mit dem latenten Sog des klinischen Imperativs umzugehen. Soldatinnen, Soldaten und ihre Familien werden nicht funktional in den Blick genommen. Es geht nicht darum, Soldatinnen und Soldaten wieder einsatztauglich und damit ‚fit for fight‘ zu machen.“

Dies bekräftigt ASEM-Leiter Militärdekan Karsten Wächter gegenüber der Tagespost: „Bei uns müssen die Menschen keine Ziele erreichen. Das ist sehr entlastend.“ Aufgabe der Seelsorge sei es vielmehr, Räume „geteilter Lebenszeit“ zu eröffnen und mit den Soldaten „gemeinsam auf dem Weg zu sein“. Im besten Fall, so Wächter haben die Soldaten in den Seminaren „Erlebnisse von Leichtigkeit“ – heilsame Erfahrungen, die sie in ihren bisher von Trauma und permanenter Anspannung geprägten Alltag mitnehmen können. Religiöse Elemente sind in den Seminaren präsent, wobei es sich zunächst um niederschwellige Angebote handelt: Dies sind insbesondere Morgen- und Abendrunden mit liturgischen Elementen.

Wächter selbst bietet als Seelsorger den Soldaten Segens- und Beichtgespräche an. Insbesondere letzte, unterstreicht der evangelische Theologe, erfahren dabei eine besondere Nachfrage: „Ich habe gelernt, statt von Schuld von ‚moralischer Verletzung‘ zu sprechen. Sie kann nicht nur durch eigenes Verhalten oder Fehler entstehen, sondern auch durch das, was einem zugefügt wird. Oder wenn man tatenlos mit ansehen muss, wie anderen Unrecht oder Gewalt angetan wird. Dieser Themenkomplex hindert am Leben. Da kann das Ritual der Beichte sehr helfen, das Erlebte auszusprechen und an eine höhere Macht, Gott, abzugeben.“

Indem die Militärseelsorge in diesem Sinne Veteranen wahrnimmt und begleiten leistet sie nicht nur einen wichtigen Dienst an den Betroffenen. Zumindest ist – im Anschluss an Peuckmann – zu hoffen, dass sie als Teil der Kirche mit ihrem Tun auch in die „postheroische Gesellschaft“ hineinwirkt und exemplarisch zu zeigen vermag, wie eine „postheroische Ehrlichkeit“ gelebt werden kann.

Erschienen am 22. Juni 2023 in der Zeitung „Die Tagespost“ (www.die-tagespost.de).

„In dieser Welt bleibt nur der Heuchler sauber“

Der evangelische Militärpfarrer Klaus Beckmann widmet sich in einer bedenkenswerten Streitschrift der theologischen Perspektive auf den Soldatenberuf in Zeiten der sicherheitspolitischen Neuorientierung

Von Tilman Asmus Fischer

Als „Erinnerungs- und Streitschrift“ markiert der evangelische Theologe Klaus Beckmann – 2011 bis 2020 Militärseelsorger, zuletzt persönlicher Referent von Militärbischof Sigurd Rink – sein im vergangenen Jahr erschienenes Buch. Inhaltlich freilich liegt der Akzent eher auf dem streitbaren Debattenbeitrag als auf anekdotischen Berichten – und dies gereicht „Dienstweg – kein Durchgang?“ nur zum Vorteil. Denn was der Autor bietet, ist – bei aller Sättigung durch die Praxiserfahrung eines Militärpfarrers – eine friedensethische wie pastoraltheologische bzw. kirchentheoretische Standortbestimmung auf höchstem Reflexionsniveau.

Unter einer friedensethischen Perspektive liest sich Beckmanns Buch als einer der profundesten Beiträge zur die sogenannte „Zeitenwende“ begleitenden theologischen Debatte, die sich zwischen einem Aufbegehren fundamentalpazifistischer Positionen und Spekulationen über eine Wiederkehr der Lehre vom „gerechten Krieg“ bewegt. „In dieser Welt bleibt nur der Heuchler sauber“, kann der Autor am Schluss konstatieren – und diese Einsicht verdichtet wie in einem Brennglas seine Argumentation, die sich gegen unaufrichtige Positionen eines Radikalpazifismus wendet, den Beckmann in seiner deutschen Spielart wiederholt als Wiedergänger eines Nationalpazifismus mit Wurzeln in den dunkelten Kapiteln der Geschichte unseres Landes identifiziert. Für eine aufrichtige Perspektive tritt Beckmann demgegenüber ein, indem er vom Faktum der unerlösten Welt ausgehend zu einer verantwortungsethischen Herleitung der Notwendigkeit der Institution Militär gelangt.

Dabei betont Beckmann den hohen Wert, welcher der Gestalt des Militärischen zukommt, wie sie sich in der Bundeswehr mit den Prinzipien der „Inneren Führung“ bzw. des „Staatsbürgers in Uniform“ herausgebildet hat. Gewiss stellt der Autor mit dem Bild des gebildeten, verantwortungsbewussten und kritischen Subjekts hohe Ansprüche an den Beruf des Soldaten. Jedoch bilden ebendiese Ansprüche das logische Korrelat zur inhaltlichen Begründung der Existenz von Streitkräften, wie Beckmann sie vornimmt: zur Sicherung von Freiheit, Demokratie und Rechtstaatlichkeit sowie zur Wahrnehmung internationaler Verantwortung unter dem Vorzeichen der Idee des „gerechten Friedens“.

Nicht minder bedenkenswert sind Beckmanns Ausführungen, liest man sie in einer postoraltheologischen bzw. kirchentheoretischen Blickrichtung: Ebenso klar, wie der Autor eine ethische Würdigung des Soldatenberufs vornimmt, tritt er für die Unabhängigkeit der Seelsorger wie der Institution Kirche im System Bundeswehr ein. Denn – eine grundsätzliche Problematik, die auch aus anderen Bereichsseelsorgen prinzipiell bekannt ist, sich aber im Falle der Militärseelsorge in besonderer Weise zeigt – das Bezugssystem, in dem die Militärpfarrer wirken, hat eine deutliche Tendenz dazu, die Geistlichen zu vereinnahmen. Dem stellt der Autor die Erwartungen der Soldaten an Militärseelsorger gegenüber – und hier mag eine implizite Kritik an einzelnen Amtsbrüdern anklingen:

„Nach meiner Erfahrung verfügen Soldaten über ein hohes Maß an kritischer Sensibilität gegenüber Anbiederungsversuchen. Sie wünschen sich durchaus nicht, dass ein Seelsorger in ‚Grünzeug‘ durch die Kaserne marschiert; militärisches Grüßen wird beim Militärpfarrer als unstatthaft empfunden – nicht allein, weil dieser nun eben einen zivilen Status hat, sondern auch und gerade, weil den meisten Soldaten bewusst ist, welchen Schatz der Seelsorger in seiner Sonderstellung für sie darstellt. Gleitet er in das militärische ‚grüne‘ Milieu ab, geht ein Stück Freiheit im militärischen Alltag verloren.“

Dieses „Stück Freiheit“ beginnt beim von den Seelsorgern als Raum freier Aussprache gestalteten Lebenskundlichen Unterricht und reicht über ihre Unabhängigkeit von der militärischen Hierarchie bis hin zum Beicht- und Seelsorgegeheimnis, das Militärseelsorger von Truppenpsychologen unterscheidet und einen Raum des geschützten Gesprächs selbst in Extremsituationen garantiert. Zur Absicherung ebendieser Freiheit und Unabhängigkeit mahnt der Autor wiederholt Strukturreformen innerhalb der evangelischen Militärseelsorge an: „Ein Verbesserungsansatz für die Militärseelsorge kann in verfassten Basisvertretungen liegen, die es dem Seelsorger ermöglichen, sich in Entscheidungen und Äußerungen abzustimmen und abzusichern. Handlungen der Militärseelsorge würden so nach außen nicht vom Pfarrer allein, sondern durch ein legitimiertes Gremium vertreten.“

Dabei greift der Verfasser interessanterweise auf die katholische Organisationsstruktur als Vorbild zurück: „Beachtenswert finde ich die Tatsache, dass die katholische Militärseelsorge bislang in der Beteiligung der Basis mehr zu bieten hat als die evangelische Seite. Dort existieren bei den Standortpfarrämtern verfasste“ – wenn auch, wie Beckmann einschränkt, vom Pfarrer berufene und nicht gewählte – „Mitarbeiterkreise und Pfarrgemeinderäte; über mehrere Ebenen hinweg sind die katholischen Soldatinnen und Soldaten bis ins Zentralkomitee der deutschen Katholiken repräsentiert.“

Diese Bezugnahme ist nur einer von zahlreichen Aspekten, die „Dienstweg – kein Durchgang?“ für eine ökumenische Leserschaft und nicht nur für den kleinen Kreis der an Fragen der evangelischen Militärseelsorge Interessierten äußerst lesenswert macht. Mithin in Monaten, da sich die gesamte Gesellschaft neu über Grundkoordinaten von Sicherheitspolitik und Friedensethik orientieren muss, stellen diese Reflexionen, die an Erfahrungen als „Pfarrer und Staatsbürger in der Bundeswehr“ anknüpfen, unangenehme Fragen und bieten Thesen, die in einer aufrichtigen öffentlichen Debatte nicht ausgeklammert werden sollten. Dass Deutschland diese Debatte vor dem Hintergrund seiner historischen Verantwortung ebenso wie gegenüber seinen heutigen Uniformträgern schuldig ist, macht Beckmann eindrücklich klar.

Klaus Beckmann: Dienstweg – kein Durchgang? Als Pfarrer und Staatsbürger in der Bundeswehr. Eine Erinnerungs- und Streitschrift. Miles-Verlag, Berlin 2022, 264 Seiten, ISBN 978-3967760439, EUR 19,80.

Erschienen am 20. April 2023 in der Zeitung „Die Tagespost“ (www.die-tagespost.de).

Nach dem Ende der Illusionen

Die Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Gwendolyn Sasse hat bereits acht Monate nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine eine fundierte Überblicksdarstellung der Hintergründe und Entwicklungen des Krieges vorgelegt. Im Interview mit Tilman A. Fischer spricht die Wissenschaftliche Direktorin des Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS) in Berlin über die Implikationen für die europäische Außen- und Sicherheitspolitik.

Frau Professor Sasse, Sie üben wiederholt Kritik an der – teils überwundenen – Perspektive „des Westens“ auf Russland. Welche westlichen Illusionen sind mit und seit dem 24. Februar 2022 zertrümmert worden?

Zum einen ist das die Illusion, dass man Russland von außen verändern kann. Allerdings hatten sich vielleicht auch schon weniger Menschen in der deutschen und europäischen Politik dieser Illusion hingegeben; aber die Illusion, die es noch gab, war die Vorstellung, dass man das Verhältnis managen und die einseitige Energieabhängigkeit ausbalancieren könnte. Zwischen diesen Ideen von „Wandel durch Handel“ oder zumindest „sicherheitspolitischer Stabilität durch Handel“ bewegt sich diese Hauptillusion, die am 24. Februar 2022 zerbrach. Zum anderen gehört dazu, dass man in der deutschen und europäischen Öffentlichkeit gar kein klares Bild von der Ukraine als Staat und Gesellschaft hatte. Nur so erklärt sich, wie überrascht man nach Kriegsbeginn hierzulande über die militärische, politische und gesellschaftliche Resilienz der Ukraine war.

Was lehrt uns dieser Befund über den vor dem Angriffskrieg eingeübten Blick Deutschlands und Europas auf Ost- und Ostmitteleuropa?

Dazu gehört wieder zweierlei: Einerseits hat man zu lange das gesprochene und geschriebene Wort Putins und einiger seiner Eliten über die Ukraine nicht ernstgenommen – selbst das, was er in deutschen Zeitungen veröffentlicht hat. Man hat sich nicht vorstellen können, dass das wirklich in Politik umgesetzt werden könnte. Daraus folgt die Lehre, dass man Rhetorik – und vor allem staatliche Rhetorik – ernstnehmen muss. Andererseits hat man vor allem in Deutschland, aber auch in Europa, die Sowjetunion als Russland fortgeschrieben. Viele ostmitteleuropäische Staaten kamen in dieser Wahrnehmung gar nicht vor und es gab keinen differenzierten Blick auf Staaten wie die Ukraine; gleiches gilt für Moldau und Belarus. Es liegt eine große Schwäche darin, dass es nicht gelungen ist, den eigenen Blick den politischen Wirklichkeiten anzupassen, sondern sich vielmehr die Wahrnehmung – bewusst oder unbewusst – auf Russland verengt hat.

Vor welchen Herausforderungen steht die EU nun nach dem Ende der Illusionen?

Was ganz deutlich wird, ist, dass die EU außenpolitisch, aber auch im Innern, an die Grenzen ihrer Funktionsfähigkeit gestoßen ist. Es stehen außen- und sicherheitspolitische Grundsatzfragen im Raum, aber auch interne Reformen, die u.a. für einen ukrainischen EU-Beitritt unerlässlich sind.

Lassen Sie uns vielleicht zunächst die innere Verfasstheit der EU fokussieren! Mit Russland befindet sich die EU in einem offenen Konflikt mit einem autoritären Staat. Welche Konsequenzen hat dies für autoritäre Tendenzen in einzelnen EU-Mitgliedsstaaten – mithin für die Spannungen zwischen der Visegrád-Gruppe und dem Westen der EU?

Wir sehen keine so klare Ost-West-Spaltung der EU, und das ist auch gut so. Aber natürlich bleiben die autoritären Tendenzen und Regime, die es in der EU gibt, bestehen – vor allem in Ungarn, welches ein schwieriger Partner in Fragen der Russland-Politik ist. Allerdings war vor Februar letzten Jahres klar, dass Polen und Ungarn sich gegenseitig unterstützen und die wenigen Sanktionsmöglichkeiten in der EU aushebeln würden. Das ist jetzt gebrochen, weil Polen sich mit Blick auf die Ukraine anders positioniert als Ungarn. Das heißt aber nicht, dass sich innenpolitisch in Polen irgendetwas verändert hätte. Vielleicht kommt das noch. Aber im Moment ist das nicht zu erkennen. Die Herausforderung im Moment ist, zu sehen: Wo gibt es Solidarität, um in dieser Situation als EU zu funktionieren und die Bedingungen für eine Beitrittsperspektive für einen ukrainischen EU-Beitritt zu schaffen? Denn, wenn es eine glaubwürdige Perspektive sein soll, setzt das voraus, dass sich auch die EU reformiert. Die Probleme innerhalb der EU – und die inneren Gefährdungen für die Demokratie – bleiben bestehen, vielleicht aber schärft die Auseinandersetzung mit dem autoritären Regime in Moskau den Blick für sie.

Wie wird sich wiederum die Außen- und Sicherheitspolitik der EU verändern müssen?

Das ist eine offene Frage – aber die EU muss sich verändern und muss auch die Politik gegenüber ihrer sogenannten Nachbarschaft anpassen. Denn es ist einiges in Bewegung: in der Ukraine ohnehin – und Ukraine und Moldau haben jetzt eine konkrete Beitrittsperspektive. Hier wird es darum gehen, diese glaubwürdig zu gestalten und mit notwendigen Reformen – und im Falle der Ukraine mit dem Wiederaufbau – zu verknüpfen. Das wird eine sehr große Herausforderung sein. Darüber hinaus wird die Politik, die sich an die weitere Nachbarschaft richtet, Anpassungen erfahren müssen. Auch Beziehungen in den Südlaukasus werden stärker als bisher differenziert werden müssen – insbesondere, wenn wir an das autoritäre Aserbaidschan denken. Regional verändern sich in dieser Gegend die Machtverhältnisse, nicht zuletzt, da Russland sich momentan auf den Krieg in der Ukraine konzentrieren muss, was Ressourcen bindet. Das hat Folgen für Akteure wie Aserbaidschan, die im  militärischen Konflikt mit Armenien um Bergkarabach den neuen Spielraum austesten, aber auch für die Rolle der Türkei oder des Irans in der Region. Daraufhin muss die EU sich in Ihrer Politik anpassen.

Was ist hierzu notwendig?

Sie muss generell präsenter werden, auch über die Länder der östlichen Partnerschaft hinaus, und klarer formulieren, was sie in Beziehungen mit Ländern etwa in Zentralasien, aber auch in Asien oder Afrika anzubieten hat. Das ist bisher eher diffus geblieben. Bedingungen wie die Regelungen zur Beschlussfassung innerhalb der EU müssen verändert werden, wenn sie ein glaubwürdiger Akteur in der Außen- und Sicherheitspolitik sein will, was von ihr erwartet wird: in der EU, in der Ukraine ohnehin, aber auch in Washington. Die USA erwarten schon seit langem, dass die EU souveräner wird. Es gibt noch nicht einmal einen Konsens, was für ein sicherheitspolitischer Akteur die EU sein will und ob dazu auch eine gemeinsame militärische Dimension gehört, wie der französische Atomschirm. Auch der derzeitige Konsens hinter der militärischen Unterstützung für die Ukraine könnte sowohl in Teilen der EU als auch in den USA brüchig werden.

Gwendolyn Sasse, Der Krieg gegen die Ukraine. Hintergründe, Ereignisse, Folgen, C. H. Beck, München 2022. 128 Seiten, 4 Karten; 12,00 €; ISBN 978-3-406-79305-9.

Erschienen in: Der Westpreuße – Begegnungen mit einer europäischen Kulturregion 1/2023.

Gefährdete Unabhängigkeit

Welche Leitlogik prägt die Militärseelsorge? Ein ökumenisches Gespräch offenbart theologische Leerstellen

Von Tilman Asmus Fischer

Als die beiden evangelischen Theologen Isolde Karle und Niklas Peuckmann 2020 ihren Sammelband „Seelsorge in der Bundeswehr. Perspektiven aus Theorie und Praxis“ herausgaben, betonten sie in ihrer Einleitung in besonderer Weise die Herausforderung, „die stets gefährdete Unabhängigkeit der Militärseelsorge zu erhalten und zu fördern“: „Jede ‚Bereichsseelsorge‘, mithin jede Seelsorge, die in einer nicht-religiösen Institution angesiedelt ist, steht in der Gefahr, von der Leitlogik der gastgebenden Institution absorbiert zu werden. Das Soziale ist in aller Regel stärker als das Bewusstsein, deshalb lassen sich Seelsorgerinnen und Seelsorger leicht in den Sog der Systemlogik ziehen, die in einer Institution vorherrschend ist, – ob das die Schule, das Krankenhaus oder die Bundeswehr ist. In der Bundeswehr scheint diese Dynamik besonders ausgeprägt zu sein.“

Anschauungsmaterial dieser ‚Dynamik‘ bot am 7. Februar ein vom „Berlin Center for Intellectual Diaspora“ an der Katholischen Akademie veranstaltetes Hintergrundgespräch unter dem Titel: „Seele und Moral der Truppe – was tut und was soll Militärseelsorge heute?“ Eingeladen hatte das Center, dessen Leiterin Dr. Gesine Palmer den Abend moderierte, drei ‚Strausberger‘: die Leiter des Evangelischen bzw. Katholischen Militärpfarramts Strausberg, die Militärdekane Otto Adomat und Siegfried Weber, sowie den im Kommando Heer mit Sitz in Strausberg für Fragen der Inneren Führung zuständigen Oberst York Buchholtz.

Auf dem Podium
Auf dem Podium (v.l.n.r.): Militärdekan Siegfried Weber, Dr. Gesine Palmer, Militärdekan Otto Adomat, Oberst York Buchholtz (Foto: Ting-Chia Wu).

Gewiss, alle drei betonten dezidiert den hohen Wert der rechtlich verbrieften Unabhängigkeit der Militärseelsorge in der Bundeswehr: Die Bindung der Geistlichen an das Beicht- bzw. Seelsorgegeheimnis, ihre Stellung jenseits der militärischen Hierarchie und den damit gewährten Schutz vor einer Indienstnahme der Seelsorge durch die militärische Führung. Dennoch stimmten die Kurzvorträge sowie die Diskussion nachdenklich mit Blick auf das zur Sprache gebrachte pastorale Selbstverständnis bzw. theologische Hintergrundannahmen, bei denen sich wiederholt die Frage aufdrängte, welche ‚Leitlogik‘ für sie ausschlaggebend ist: eine militärische oder eine kirchliche bzw. theologische.

Am deutlichsten war die Prägung durch eine kirchliche ‚Leitlogik‘ beim katholischen Militärdekan Weber zu erkennen, der das Aufgabenprofil eines Militärgeistlichen prinzipiell als demjenigen des Priesters in einer Zivilgemeinde gleichgestaltet beschrieb. Weber sprach als bodenständiger Praktiker, als zugewandter Seelsorger, der – Grundvoraussetzung seines Dienstes – „Menschen mag“ und „Soldaten mag“. Durch ihn – wie durch die anderen Podiumsteilnehmern – wurde jedoch kaum die Ebene einer kritischen Hinterfragung des militärseelsorgerlichen Wirkens im von Karle und Peuckmann skizzierten Sinne erreicht. Die Diskussion verblieb weitestgehend in einer positivistischen Darstellung des selbsterlebten Ist-Zustandes der Pastoral unter Soldaten.

Hellhörig konnte man freilich werden, als Weber seinen evangelischen Amtskollegen als „Kamerad Adomat“ titulierte. Dass Militärgeistliche – zumal im Kontext und vor dem Hintergrund gemeinsam erlebter Einsatzerfahrungen – für die ihnen anbefohlenen Soldaten die Bezeichnung des Kameraden verwenden, ist nachvollziehbar und mag womöglich auch unter poimenischen Gesichtspunkten legitim sein. Was aber sagt es über die hinter dem eigenen Dienst als Pfarrer stehenden Überzeugungen aus, wenn man im Miteinander unter Amtsbrüdern – und eben nicht im Austausch mit der ‚gastgebenden Institution‘ – eine Selbstbezeichnung verwendet, die sich gerade nicht aus dem gemeinsamen kirchlichen Dienst, sondern aus der ‚Systemlogik‘ des Militärischen speist?

Diese Anrede mag aber vielleicht auch dadurch getriggert worden sein, dass „Kamerad Adomat“ sich selbst recht rustikal in Szene setzte. So klar er sein Wirken auch durch konsequenten Bezug auf Seelsorge und Verkündigung als ein geistliches profilierte, erstaunt doch, dass er in seinem Eingangsstatement als persönliche Motivation zum Dienst als Militärseelsorger den Wunsch fokussierte, „meinem Land – der Bundesrepublik – etwas zurückzugeben“. Dies entspricht dem legitimen soldatischen Selbstverständnis „Wir dienen Deutschland“ – fraglich ist hingegen, ob diese Akzentsetzung dem Proprium entspricht, welches der Wahlspruch der Evangelischen Militärseelsorge insinuiert: „domini sumus“. Werden Militärseelsorger in der theologischen Fachliteratur gerne als „outstanding insiders“ bezeichnet, so konnte man bei Adomat eher den ‚insider‘ als das ‚outstanding‘ betont sehen. So wird er gewiss mit der Beobachtung recht haben, dass die Einsatzwirklichkeit mit erlebter Auftragserfüllung, Kameradschaft und der Begegnung mit Soldaten befreundeter Armeen über geistige Ressourcen für den soldatischen Dienst verfügt. Seine Stilisierung der religiösen Dimension von Kriegserfahrungen ließ jedoch eine kritische Haltung gegenüber der Lebenswirklichkeit der ihm anvertrauten Soldaten vermissen. Dabei täte man dem evangelischen Militärdekan unrecht, ihn als Militaristen misszuverstehen – konnte er doch andererseits etwa die Bedeutung der Versöhnungsliturgie von Coventry im Militärgesangbuch und damit Versöhnung als Zielperspektive auch soldatischen Handelns hervorheben.

Karle und Peuckmann sehen den Trend zur ‚Absorbierung‘ von Militärgeistlichen durch das System Bundeswehr nicht zuletzt darin begründet es sich hierbei um eine Institution handelt, „die ausgeprägter als andere Institutionen, in denen Seelsorgerinnen und Seelsorger tätig sind, durch hierarchische Strukturen bestimmt ist und zugleich dazu tendiert, Seelsorgerinnen und Seelsorger als fest integrierte Bestandteile des Systems zu begreifen.“ Diese Tendenz klang auch bei Oberst Buchholtz an, der in seinem Eingangsstatement von der Militärseelsorge auch als „Führungsinstrument“ sprechen konnte, zu dessen Nutzung er jeden militärischen Führer nur ermuntern könne. Bereits zuvor hatte er betont, dass viele der Angehörigen von Kampfverbänden zwar keine Christen seien, aber der mit Einsatzrealität konfrontierte Soldat dennoch eine Person brauche, die ihm sagt: „Du kämpfst für das richtige.“ Diese Engführung der Seelsorge auf die moralische Legitimierung des kriegsvölkerrechtlich Legalen mag der Systemlogik einer Armee entsprechen – und die Offenheit, in der sich Oberst Buchholtz zu dieser Haltung bekannte, verdient Anerkennung. Bemerkenswert ist jedoch, dass keiner der anwesenden Militärseelsorger sie theologisch begründet hinterfragte.

In anderer Form erschienen am 16. Februar 2023 in der Zeitung „Die Tagespost“ (www.die-tagespost.de).