Europäische Aussöhnung – im Schatte des Krieges

Olaf Scholz hielt beim Jahresempfang des Bundes der Vertriebenen seine erste programmatische Rede zu Fragen der Vertriebenen- und Verständigungspolitik. Deren Aktualität stellte der Bundeskanzler angesichts des Angriffs auf die Ukraine ebenso heraus, wie er in kulturpolitischer Hinsicht Erwartungen weckte.

Im zweiten Jahr seiner Amtszeit hat Bundeskanzler Olaf Scholz an die von Angela Merkel gepflegte Tradition der Teilnahme am Jahresempfangs des Bundes der Vertriebenen angeknüpft. Am 28. März 2023 unterbrach er die Verhandlungen zwischen den Koalitionspartnern seiner Regierung, um in der Katholischen Akademie zu Berlin das Wort an BdV-Präsident Bernd Fabritius, die Mitglieder der Landsmannschaften und Landesverbände sowie die anwesenden Parlamentarier, Diplomaten und weitere geladene Gäste zu wenden.

Nein zu politischem und militärischem Revanchismus

Seine Rede stand – ebenso wie der gesamte Empfang, an dem auch Vertreter der deutschen Volksgruppe in der Ukraine teilnahmen – im Schatten des bereits über ein Jahr währenden Angriffskrieges Russlands. Mit diesem seien „revanchistische, imperialistische Aktivitäten, ein furchtbarer Krieg, wieder Realität in Europa geworden. Putin will die Identität der Ukraine auslöschen. Er will sie durch die Idee eines großrussischen Reichs ersetzen. Dafür überzieht er die Ukraine mit Leid und Zerstörung und gefährdet auch die Zukunft seines eigenen Landes.“

Die neue Kriegswirklichkeit stellte Scholz in den Kontrast zur in Europa gehegten Hoffnung, „dass die Freiheit und die Demokratie sowie die Unverletzbarkeit der Grenzen dazu beitragen, dass wir ein freies Europa erleben, in dem wir die schlimmen Erfahrungen des letzten Weltkrieges und der Zerstörung, die er mit sich gebracht hat, die unglaublichen Folgen, die er durch den unglaublichen Mord an den europäischen Juden, aber eben auch das Schicksal der Vertreibung mit sich gebracht hat, hinter uns gelassen haben, indem wir dazu beigetragen haben, dass eine friedliche Perspektive möglich wird.“

Dabei fokussierte der Kanzler seine Russland-Kritik auf den Bruch mit dem für das Europa der Nachkriegszeit konstitutiven völkerrechtlichen Grundsatz, „dass Grenzen nicht mehr mit Gewalt verschoben werden dürfen. Es war doch die eigentliche Konsequenz und das eigentliche Ergebnis der Entspannungspolitik der 70er-Jahre, dass wir uns in KSZE und OSZE darauf verständigt haben, dass eine solche gewaltsame Verschiebung von Grenzen nicht mehr stattfindet. Wir haben uns lange genug vor all denjenigen gefürchtet, die in Geschichtsbüchern geblättert haben, nachgeschaut haben, wo Grenzen früher einmal verlaufen sind, um dann daraus kriegerische Ambitionen für sich abzuleiten und furchtbare Zerstörung anzurichten, und wir wissen ganz genau, wohin das führt, wenn gewissermaßen jemand in den Atlanten der Vergangenheit guckt, wo man Grenzen schon einmal gezogen hat.“

Hier vollzog Scholz eine globale Perspektivweitung und berichtete aus einem Gespräch mit dem Präsidenten Kenias über die Konsequenzen des europäischen Kolonialismus: „Wenn wir in Afrika“, zitierte er sein Gegenüber, „daraus jetzt Konsequenzen ableiten würden und Grenzen wieder neu verschieben würden, wo sollte das enden?“ Bezug nahm Scholz zugleich auf das diesjährige Motto des „Tages der Heimat“: „Krieg und Vertreibung – Geißeln der Menschheit“. Um ein Ende dieser „Geißeln“ zu erreichen, genüge es aber nicht, „pauschal nach Friedensverhandlungen zu rufen, wie es einige tun“, denn „mit der Waffe an der Schläfe lässt sich nicht verhandeln außer über die eigene Kapitulation“. Voraussetzung für einen Frieden sei daher, „dass Putin erkennt: Er wird seine Ziele nicht erreichen. Sein Imperialismus wird nicht siegen.“

Humanitäre Hilfe und Brückenbau

Von diesem Ausgangspunkt aus entfaltete der Kanzler die militärische und humanitäre Unterstützungspolitik seiner Regierung – und würdigte mit Blick auf die Flüchtlingsaufnahme ebenso den Einsatz der Zivilgesellschaft. In diesem Zusammenhang dankte Scholz dem Bund der Vertriebenen dafür, sich „über alle Maßen engagiert“ zu haben, „zum Beispiel durch Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer vor Ort in den Beratungsstellen oder online. Sie haben Hilfe für Flüchtlinge in der Ukraine organisiert […]. Auch über die Landsmannschaften haben Sie Spenden- und Hilfsaktionen ins Leben gerufen – in enger Zusammenarbeit mit den deutschen Minderheiten in der Ukraine, Polen, der Slowakei, Ungarn und Rumänien.“ Es habe sich „wieder einmal gezeigt, wie gut und eng“ deren Verbindungen seien: „sie sind wahre Brückenbauer“.

Angesichts des lange Zeit in der öffentlichen Diskussion perpetuierten Bildes, die als reaktionär empfundenen Vertriebenenverbände seien nicht repräsentativ für die Gesamtheit der von ihnen vertretenen gesellschaftlichen Gruppe, war es bezeichnend, dass Scholz dezidiert betonte, die „Vertriebenen, aber eben auch ein Verband wie der BdV haben die richtigen Schlüsse aus der Geschichte gezogen, indem sie eben nicht im ständigen Rückblick einer vermeintlich guten alten Zeit nachtrauern, sondern dabei mithelfen, dass unsere Gegenwart und Zukunft geprägt sind von mehr Menschlichkeit, Mitgefühl und Versöhnung.“

Bekenntnis zur Kulturförderung weckt Erwartungen

Daher sei es „gut für unser Land, wenn die Kinder- und Enkelgenerationen am Schicksal der Heimatvertriebenen und Spätaussiedler Anteil nehmen.“ Familienforschung, Erkundung der Regionalgeschichte, vor allem aber die vielfältigen Kontakte der Heimatvertriebenen und ihrer Nachfahren – einschließlich hieraus entwickelter karitativer Projekte – bezeichnete Scholz als einen „Teil der Aussöhnung in Europa“, für den bereits „im Jahr 1950 die wegweisende Charta der Heimatvertriebenen“ gestanden habe, „in der es heißt: ‚Wir werden jedes Beginnen mit allen Kräften unterstützen, das auf die Schaffung eines geeinten Europas gerichtet ist, in dem die Völker ohne Furcht und Zwang leben können.‘“ Vor diesem Hintergrund bekannte sich Scholz „ganz ausdrücklich zur Unterstützung des Bundes der Vertriebenen und seiner Versöhnungsarbeit“: „Dazu zählt, die Kultur und die Geschichte der Deutschen aus den ehemaligen Siedlungsgebieten im östlichen Europa lebendig zu halten.“

Diese Worte des Bundeskanzlers stehen freilich in einer gewissen Spannung zum restriktiven Haushaltsansatz von Kulturstaatsministerin Claudia Roth für die Projektmittel im Bereich der Kulturarbeit nach dem Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetz (BVFG). Deren Kürzung stellt eine wesentliche Einschränkung insbesondere für die Arbeit der Kulturreferenten dar. Daher vermögen die Ausführungen des Bundeskanzlers vor allem die Erwartung zu wecken, dass ihnen am Kabinettstisch Entscheidungen folgen, die insgesamt zu einer Besserung der finanziellen Situation führen. Dabei müssten sie nicht zuletzt auch dazu beitragen, dass die staatlichen Institutionen an der kooperativen Haltung gegenüber den Vertriebenenorganisationen festhalten, zu welcher der Regierungsbeschluss zur Kulturförderung nach BVFG von 2016 verpflichtet – und die etwa die Arbeit der Kulturstiftung Westpreußen bzw. des Westpreußischen Landesmuseums betrifft: „Rückgrat des Bereichs sind die institutionell durch den Bund geförderten Museen, Kulturreferentinnen und -referenten, die Einrichtungen der kulturellen Vermittlung und Öffentlichkeitsarbeit sowie die Forschungsinstitute, die ihre aus § 96 BVFG folgenden Aufgaben auch in bewährter Kooperation mit den Landsmannschaften und den landsmannschaftlichen Verbänden erfüllen.“

Tilman Asmus Fischer

Erschienen in: Der Westpreuße – Begegnungen mit einer europäischen Kulturregion 1/2023.

Mehr Polen und Europa für die deutsche Erinnerungskultur

Der „Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen“ ist im Entstehen begriffen. Eine Diskussionsveranstaltung des Deutschen Polen Instituts ordnete ihn in den Kontext deutsch-polnischer Erinnerungspolitik ein.

Vor einem Dreivierteljahr hatte der damalige Bundeaußenminister Heiko Maas in Berlin das Konzept für den 2020 vom Bundestag beschlossenen „Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen“ vorgestellt. Die Umsetzung ebendieses Beschlusses dürfte Parlament und Regierung in der noch verhältnismäßig jungen Legislaturperiode beschäftigen. Die Entscheidung für den Polen-Ort geht auf eine in den Jahren zuvor etablierte und am Deutschen Polen Institut (DPI) angesiedelte zivilgesellschaftliche Initiative zurück, die die Errichtung eines Denkmals für die polnischen Opfer des Zweiten Weltkrieg gefordert hatte. Geht es nach einem Konzeptpapier aus dem Vorjahr, sollen es gerade auch zivilgesellschaftliche Akteure sein, die den Polen-Ort mit Leben füllen. Vor diesem Hintergrund versprach die am 7. Juni vom DPI in der Europäischen Akademie Berlin durchgeführte Tagung „Rund um den ‚Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen‘“ Einblicke in die Entwicklungsperspektiven dieses Projektes zu geben. In besonderer Weise galt dies für die öffentliche Podiumsdiskussion, welche unter dem Titel „Erinnern für die Zukunft: Wie viel Polen, wie viel Europa braucht die deutsche Erinnerungskultur?“ das Vorhaben in seinen größeren geschichtspolitischen Kontext einordnete.

Eingeladen hatte das DPI hierzu Dr. Axel Drecoll, Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten und Leiter der Gedenkstätte KZ Sachsenhausen, Dr. Annemarie Franke, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa sowie wissenschaftliche Projektmitarbeiterin beim Europäischen Netzwerk Erinnerung und Solidarität, und Dr. Raphael Utz, Leiter der beim Deutschen Historischen Museum angesiedelten Stabsstelle Dokumentationszentrum „Zweiter Weltkrieg und deutsche Besatzungsherrschaft in Europa“ (ZWBE). Moderiert wurde die Debatte von DPI-Direktor Prof. Dr. Peter Oliver Loew. Dabei konnte dieser zugleich seine Expertise als Vertreter seines Instituts in der Expertenkommission zur Einrichtung des Polen-Ortes ins Spiel bringen, so dass sich die Diskussion als – nicht zuletzt für das Auditorium fruchtbares wie anregendes – kollegiales Fachgespräch vollzog, in das sich im zweiten Teil auch Publikumsgäste einbringen konnten.

Einleitend hob Loew hervor, dass das Anliegen des Polen-Orts deutlich größere Zustimmung in Gesellschaft und Politik gefunden habe, seit sich herauskristallisiert habe, dass es nicht „nur“ – wie im Falle der ursprünglichen Initiative – um ein Denkmal, sondern einen Ort der Erinnerung und Begegnung gehe. Entwickelt werden soll dieser im engen grenzüberschreitenden Austausch: Das „Gespräch muss entscheidender Bestandteil des Polen-Ortes sein“, steht für Loew fest. Dabei könne man an die Erfahrungen bei der Erarbeitung des deutsch-polnischen Schulbuchs anknüpfen, das inhaltlich sehr gelungen sei.

Wie jedoch soll Polen an den Gremien der im Entstehen begriffenen Institution konkret beteiligt werden? Diese – bekanntermaßen politisch wie diplomatisch sensible – Frage wurde aus dem Publikum an das Podium herangetragen, auch mit Blick auf das ZWBE. Hinsichtlich des Polen-Ortes gab Loew zu verstehen, dass gegenwärtig noch keine Klarheit über die Gremienbesetzung – und mithin über die Rechtsform der Institution – bestünde. In jedem Fall bedürfe es jedoch unterschiedlicher Gesprächskreise, die sich mit „symbolischem Erinnern“, „Ausstellung“ und „Wanderausstellungen“ befassten. Es sei wünschenswert, wenn der Ort im Prozess-Charakter bleibe und sich dynamisch weiterentwickle.

Für die konzeptionelle Ausrichtung des Polen-Ortes war von besonderer Bedeutung, dass Raphael Utz das künftige ZWBE vertrat, dessen Errichtung der Bundestag in zeitlicher Nähe zu seiner Entscheidung zugunsten des Polen-Ortes beschlossen hatte und mit ihm  eine nicht geringe inhaltliche Schnittmenge aufweist. Befürchtungen einer Konkurrenz zwischen den beiden und ggf. weiteren Institutionen konnte Utz jedoch zerstreuen. Vielmehr könnten sich die Orte ergänzen, wenn nur in vernünftiger Weise aufeinander verwiesen würde. Zudem habe das ZWBE ganz Europa – bzw. 27 von der deutschen Besatzungsherrschaft betroffene Staaten – im Blick. Hinsichtlich der Beteiligung internationaler Partner an den Gremien der Gedenkstätte gab Utz zu verstehen, man wolle keinen mit Botschaftern besetzten „internationalen Aufsichtsrat“, der zum Gegenstand er Interessen nationaler Erinnerungspolitiken werde. Er selbst habe bereits „Besuch von Vertretern der russischen Botschaft“ erhalten, die „klare Vorstellungen“ von der Gedenkstätte gehabt hätten. Anstelle von Vertretern der einzelstaatlichen Regierungen setze man vielmehr auf Vertreter aus der europäischen Zivilgesellschaft und Wissenschaft, die durch ein angegliedertes „Forum der Erinnerung“ bzw. im Haus angesiedelte Forschungsprojekte einbezogen werden sollten.

Axel Drecoll weitete den Blick nochmals, indem er auf die Wechselbeziehung zwischen Informationszentren wie dem Polen-Ort oder dem ZWBE und Gedenkstätten, die an konkreten historischen Orten an das dortige Geschehen erinnerten, nachzeichnete. Letztere seien auf erstere angewiesen, da diese der breiten Bevölkerung historisches Wissen vermittelten, das notwendig sei, um sich auf Gedenkstätten einlassen zu können. Es brauche solche Information, „damit Gedenkorte nicht erstarren“. Auch hier komme es letztlich auf eine funktionierende Verweisstruktur an. Aus dem Publikum vorgetragene Befürchtungen eines abnehmenden Interesses an Informations- und Gedenkorten infolge des zunehmenden zeitlichen Abstandes zum Zweiten Weltkrieg bewertete Drecoll als unbegründet, insbesondere da er beobachte, dass heute auch noch die inzwischen vierte Generation die Verfolgung ihrer Vorfahren als Teil der eigenen Familiengeschichte verstehe.

Ausgehend von den Erfahrungen der Gedenkstätte KZ Sachsenhausen, fragte Drecoll hingegen nach der „Grenze bei separaten Orten des Erinnerns“ für einzelne Opfergruppen: So seien in Sachsenhausen zwar zu einer großen Zahlen Polen inhaftiert gewesen – insgesamt seien jedoch Angehörige vieler Nationen unter den Opfern. In diesem Bewusstsein stelle sich die Frage, wie damit umgegangen werden solle, wenn – in Entsprechung zum Polen-Ort – auch andere Völker wie etwa die Ukrainer ihren eigenen „Ort“ forderten. Auf den „Knackpunkt“ der vielbesprochenen Opferkonkurrenz in geschichtspolitischen Debatten wies mit Blick auf den Polen-Ort auch Annemarie Franke hin. Zuerst nämlich – 2012 – war eine Gedenkstätte für die polnischen Weltkriegsopfer just in Reaktion auf die Einweihung des Mahnmals für die ermordeten Sinti und Roma gefordert worden. Damals habe Władysław Bartoszewski als polnischer Staatssekretär und außenpolitischer Berater Donald Tusks die staatliche Position Polens vertreten. Dass der Polen-Ort demgegenüber nun aus einer zivilgesellschaftlichen Initiative heraus entstanden sei, hält Franke für einen wichtigen Unterschied.

Wie jede gegenwärtige Veranstaltung zu ostmitteleuropäischen Themen stand auch die Diskussion zum Polen-Ort im Schatten des russischen Überfalls auf die Ukraine – so dass merklich die Gegenwarts- und Zukunftsdimension von Erinnerungskultur(en) hervortrat. Dass „heute Angriffskriege mit dem Zweiten Weltkrieg begründet werden“, zeige, so Decroll die Bedeutung von Gedenkstätten und historischer Bildung. Und wie Franke betonte, sei eine „gemeinsame Bewältigung der Folgen des Ukraine-Krieges“ gerade auch im Dialog zwischen Deutschland und Polen wichtig. Bei Begegnungen, wie sie der Polen-Ort ermöglichen solle, dürfe es nicht um beliebige Begegnungen gehen, sondern darum, „Impulse zu geben, mehr voneinander zu lernen“. Was es brauche, sei ein „Ort kritischer Begegnung auf Augenhöhe“.

Tilman Asmus Fischer

Erschienen in: DOD – Deutscher Ostdienst 3/2022 und Der Westpreuße – Begegnungen mit einer europäischen Kulturregion 3/2022.

Charta der deutschen Heimatvertriebenen und Lastenausgleichsgesetz – Erfolgsgeschichte und Modell?

Online-Diskussionsveranstaltung des Bundes der Vertriebenen mit Prof. Dr. Manfred Kittel und Dr. Bernd Fabritius. Moderation: Tilman Asmus Fischer.

Aufgezeichnet am 25. November 2021 in der Hauptstadtvertretung des BdV im Deutschlandhaus. Die Veranstaltung wurde gefördert von der Bundeszentrale für politische Bildung.

Aufgeräumte Erinnerungen

Die „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ präsentiert seit dem 21. Juni die Dauerausstellung ihres Dokumentationszentrum. Die Stärken ihres Konzeptes sind ebenso deutlich wie dessen Grenzen

Von Tilman Asmus Fischer

„Kunst aufräumen“ lautet das Programm, mit dem Ursus Wehrli seit gut zwanzig Jahren Erfolge feiert und aus dem neben diversen Büchern und Bühnenprogrammen sogar eine Briefmarke der Schweizerischen Post hervorgegangen ist: Der Schweizer Künstlers und Kabarettisten nimmt sich bekannter wie unbekannterer Kunstwerke an und sortiert ihre Elemente nach formalen Kriterien. Dadurch eröffnet er neue Perspektiven auf Bekanntes und erprobt ‚Ordnungen‘, bei denen je zu fragen ist, inwieweit sie den Kunstwerken inhärent sind oder ex post auf diese angewendet werden. An das Œuvre Wehrlis mag sich erinnert fühlen, wer am Ende eines Rundgangs durch die Dauerausstellung des unlängst eröffneten Dokumentationszentrums der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung im Berliner Deutschlandhaus vor einer großen Wandvitrine zu stehen kommt. Diese versammelt 251 Exponate der früheren Altvater-Heimatstube. Einstmals in Gärtringen von heimatvertriebenen Sudetendeutschen zusammengetragene und ausgestellte Stücke, hinter denen individuelle Geschichten und Bedeutungen stehen, sind hier platzökonomisch nach Themengebieten (Kruzifix neben Kruzifix, Werkzeug neben Werkzeug, Bergkristall neben Bergkristall, etc.) sortiert zu sehen. In Analogie zu Wehrlis Ansatz könnte die Vitrine den Titel „Erinnerungen aufräumen“ tragen – und gewissermaßen scheint dies als Motto auf die Dauerausstellung in Gänze zuzutreffen. Hierin liegen sowohl die Stärken als auch die Grenzen der in den vergangenen Jahren wohl – von Fachkreisen wie Medienöffentlichkeit – äußerst vehement diskutierten Gedenkstätte in der Bundeshauptstadt.

Gegenstände aus einer sudetendeutschen Heimatstube (© Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung, Foto: Markus Gröteke)

Erinnerungstransfer

Zunächst zu den Stärken: Die Dauerausstellung eröffnet neue Perspektiven auf den Themenkomplex von Flucht und Vertreibung der Deutschen am Ende des Zweiten Weltkriegs. Dies vermag sie in dem Sinne, dass sie einen wichtigen Beitrag zu einem sich bereits seit Jahren vollziehenden Transformationsprozess leistet, der dadurch bedingt ist, dass zum einen die Erfahrungen von und Erinnerungen an Flucht und Vertreibung von nur noch einer immer kleiner werdenden Gruppe von Zeitzeugen selbst vermittelt werden können. Zum anderen befinden sich auch die von ebendiesen Betroffenen geschaffenen Institutionen, Medien und Formate – landsmannschaftliche Organisationen, Museen, Sammlungen, Periodika, Heimattreffen – in einem Prozess der Übergabe an Generationen Nachgeborener, für die der Bezug auf die Heimatgebiete und das historische Schicksal des Heimatverlustes nicht mehr selbstverständlich ist. Dies erfordert eine Erklärungs- und Verständigungsleistung: Das materielle wie immaterielle Fluchtgepäck ist zu erfassen, zu bewahren und in einer Weise zu präsentieren, die auch für künftige Generationen anschlussfähig ist.

Dies zu leisten, ist das entscheidende Verdienst der SFVV. Sie macht im Hauptteil der Dauerausstellung im zweiten Obergeschoss des Deutschlandhauses anhand individueller Beispiele anschaulich, was die Zwangsmigration der Deutschen aus den historischen Reichs- und Siedlungsgebieten bedeutete. Sie ordnet diese exemplarischen Schicksale in ihre Vor- und Nachgeschichte ein – also den Nationalsozialismus bzw. den Zweiten Weltkrieg und die Nachkriegszeit von der Vertriebenenintegration bis hin zur Verständigung mit den Völkern Ostmitteleuropas. Bereits im ersten Obergeschoss findet eine Einordnung in den Gesamtzusammenhang europäischer Zwangsmigrationen im langen zwanzigsten Jahrhundert statt und es werden Bezüge hergestellt zu gegenwärtigen Formen von Flucht und Vertreibung.

Individualisierung

Die Art und Weise, in der die Dauerausstellung Erinnerungen ‚aufräumt‘ – also in einer zugänglichen Weise (ein)ordnet und präsentiert – hat jedoch auch deutliche Grenzen: Die wohl wichtigste kann darin gesehen werden, dass die Anschaulichkeit deutscher Flucht-, Vertreibungs- und Aussiedlungs-Schicksale den Preis hat, dass durch die starke Individualisierung der Präsentation der Blick auf verallgemeinerbare Phänomene bisweilen verloren geht. So, wie die Einzelexponate der Altvater-Heimatstube für sich nebeneinander präsentiert werden, ohne dass sie jedoch durch eine Rahmung in ein Verhältnis zueinander gesetzt würden, wird die Zwangsmigration der Deutschen gleichfalls über Einzelschicksale thematisiert, die als solche nebeneinanderstehen. Diese machen für sich und in ihrer Gesamtheit durchaus deutlich, wie facettenreich die Erfahrungen sein konnten, die sich mit Flucht und Vertreibung verbanden. Jedoch bleibt dem Besucher, der ohne Vorkenntnisse die Ausstellung besucht, verschlossen, in welcher Weise die biografischen Einzelfälle für die Gesamtheit des deutschen Vertreibungsschicksals repräsentativ sind oder in welcher Weise in ihnen Spezifika einzelner Regionen oder Phasen der Zwangsmigration zum Ausdruck kommen.

So präsentiert die Ausstellung etwa das Schicksal des 1935 im ostpreußischen Insterburg geborenen Werner Kaschärus, der nach Kriegsende, von seiner Mutter getrennt, nach Lettland gelangte, wo er von einer Bäuerin aufgenommen wurde und aufwuchs. Dass es sich bei Kaschärus um ein „Wolfskind“ handelt, wird nicht expliziert; dass er damit für eine spezifische Opfergruppe unter anderen steht, erfährt der Besucher nicht. Dies ist umso erstaunlicher, als diese Gruppe spätestens seit dem Kinofilm „Wolfskinder“ (2013) und dem Medienecho auf die Veröffentlichungen von Christopher Spatz in der breiteren Öffentlichkeit durchaus einen Begriff darstellt, auf den sich in verständnisfördernder Weise Bezug nehmen ließe.

Leerstellen

Problematischer mag freilich das Resultat des Ausleseprozesses sein, das in den meisten Fällen mit dem Aufräumen einhergeht. Nun befindet sich Ursus Wehrli in der glücklichen Lage, dass die Betrachter seiner aufgeräumten Kunstwerke just erwarten, alle Elemente des ursprünglichen Bildes auch in seiner geordneten Version wiederzufinden. Wer jedoch Geschichte und mit ihr verbundene Erinnerungen „aufräumt“, ist angesichts der zu präsentierenden Masse an Information und des Ziels der Übersichtlichkeit, gezwungen, auszuwählen und Schwerpunkte zu setzen. Dabei wird fehlende Detailgenauigkeit im Dienste der Museumsdidaktik dem Kurator am Ende wohl auch noch gedankt. Doch besteht die Gefahr, als Detail zu fassen und auszublenden, was womöglich mehr als ein Randphänomen ist. Dies gilt zum einen für die Versenkung der „Wilhelm Gustloff“ am 30. Januar 1945. Dass das größte Unglück der Seefahrtgeschichte – welches zudem pars pro toto für die Flucht über die Ostsee steht – erst als Gegenstand der Erinnerungskultur der Nachkriegszeit in den Blick genommen wird, jedoch im Ausstellungsteil zu Flucht und Vertreibung selbst unterbelichtet bleibt, erscheint fragwürdig.

Bedenklicher ist die Aussparung sexualisierter Gewalt im Kontext von Zwangsmigrationen. Zwar wird dieses Phänomen in der allgemeinen Einführung des ersten Obergeschosses angesprochen – angesichts von ca. 1,4 Millionen durch Angehörige der Roten Armee vergewaltigter Frauen unter den deutschen Opfern von Flucht und Vertreibung stellt sich jedoch durchaus die Frage, weshalb dieser Problematik nicht in hervorgehobener Weise nachgegangen wird. Dies umso mehr, als es an dieser Stelle gegolten hätte, eine Opfergruppe zu Wort kommen zu lassen, aus deren Reihen – aus mehr als verständlichen Gründen – nur die wenigsten bereit waren, über das Erlebte zu sprechen. Warum, so ließe sich zugespitzt fragen, scheint den Machern der Ausstellung die Frage geschlechtlicher Identität im Kontext von Flucht und Vertreibung derart bedeutsam zu sein, dass sie sich – entgegen der zumindest noch in Geltung stehenden Konventionen anderer großer Kultureinrichtungen – für eine gegenderte Sprache in den Texttafeln entscheiden, wenn andererseits eine en masse aufgetretene Form geschlechtsspezifischer Gewalt inhaltlich nur eine Nebenrolle spielt?

Potenziale

Trotz der Leerstellen des Versuchs, in der Dauerausstellung Erinnerung „aufzuräumen“ – deren Identifizierung sich selbstverständlich den Interessen und Perspektiven des jeweiligen Betrachters verdankt –, eröffnet das Dokumentationszentrum in seiner Gänze dennoch die Möglichkeit einer umfassenden wie detailgenauen Beschäftigung mit der deutschen Vertreibungsgeschichte. (Darüber hinaus ist das Dokumentationszentrum übrigens nicht nur ein Ort der Wissensvermittlung, sondern bietet auch Gelegenheit zum Innehalten und zur Reflexion mit transzendenten Bezügen. Hierzu dient der im Eingangsbereich befindliche „Raum der Stille“.)

Zum einen bietet das Haus eine Spezialbibliothek sowie ein Zeitzeugenarchiv mit einem Lesesaal, der für wissenschaftliche Recherchen ebenso zur Verfügung steht, wie für vertiefende Lektüre von Interessierten und familienkundliche Forschungen. Zum anderen darf darauf gehofft werden, dass über das im Frühjahr anlaufende Programm an Sonderausstellungen Aspekte vertieft werden, durch die die Dauerausstellung – zumal hinsichtlich ihres Schwerpunktes: Flucht und Vertreibung der Deutschen am Ende des Zweiten Weltkriegs“ – in sinnvoller Weise ergänz wird. Den Auftakt wird die Ausstellung „Unser Mut. Juden in Europa 1945-48“ machen. Hierbei handelt es sich um eine Wanderausstellung des Jüdischen Museums Frankfurt. So spannend und wichtig das Thema ist: Den programmatisch bedeutsamen Bereich der Sonderausstellungen mit einer Leihausstellung zu eröffnen, verspielt die Chance, in markanter Weise deutlich zu machen, welche Akzente der Hausherr selbst, also das Team der SFVV, in seinem Dokumentationszentrum mit selbstkuratierten Ausstellungen zu setzen bestrebt ist. Dies erfahren zu können, darf somit auch noch etwas länger mit Interesse abgewartet werden.

Erschienen in: Der Westpreuße – Begegnungen mit einer europäischen Kulturregion 3/2021.

Auf ein Wort: Erinnerungskultur ist Demokratieförderung

Von Lucas Koppehl und Tilman A. Fischer

Identitätspolitik ist heute in aller Munde. Die Deutungshoheit über dieses Thema ist wohl Gegenstand der schärfsten Debatten des Jahres 2021. Seien es Geschlechterfragen, koloniale Überbleibsel oder die Verortung unseres nationalen Selbstverständnisses – von rechts wie links ein Minenfeld. Es zeigt sich: Debatten tun not. Die Schärfe des aktuellen „Diskurses“ zeigt hingegen, wie groß die Ängste verschiedener Teile der Gesellschaft vor der künftigen Gestalt unseres Landes und seiner künftigen Legitimationsbezüge sind. Denn nicht erst seit George Orwells „1984“ wissen wir „Wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit. Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft.“

Unser Land hat also wieder einmal Selbstzweifel. Was lapidar klingt, hat doch einen ernsten Kern. Denn Identitätspolitik kommt eben ohne Erinnerungspolitik nicht aus. Erinnerungskultur hingegen legt fest, welche Werte in unserer Demokratie Konsens sind und welche nicht. Nach Ansicht der Autoren kommen bei erinnerungspolitischen Debatten in Deutschland jedoch jene Kräfte oft zu kurz, die selber über einen reichen Schatz an historischen Erfahrungen verfügen, – oder sie melden sich gleichsam zu wenig zu Wort. Dabei hätten sie viel beizutragen.

Hierbei geht es sowohl um Repräsentanten einer demokratischen Tradition unseres Landes, die durch die Wirren der deutschen Geschichte nicht belastet sind, als auch um solche, die in einer authentischen Weise für eine deutsche Lerngeschichte stehen, die aus ebendiesen Wirren Einsichten gewonnen und Konsequenzen gezogen hat. Zu den erstgenannten Akteuren gehört das 1924 von den Parteien der Weimarer Koalition gegründete Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold; zu den zweitgenannten ein Gutteil der – nach der Unheilsgeschichte von Rassenwahn und ethnischen Säuberungen – auf Versöhnung und europäischen Ausgleich orientierten Interessenverbände der deutschen Vertriebenen.

(Foto: Cezary Piwowarski)

Das Reichsbanner wurde am 22. Februar 1924 auf Betreiben der SPD zusammen mit der liberalen Deutschen Demokratischen Partei und der katholischen Zentrumspartei gegründet. Schnell entwickelte es sich zu einer Massenorganisation mit mehr als drei Millionen Mitgliedern. Neben fünf Reichskanzlern waren bekannte Mitglieder unter anderem Philip Scheidemann, Otto Wels, Julius Leber, Fritz Bauer, Paul Löbe und Theodor Heuss – aber auch etwa der im westpreußischen Kulm geborene Kurt Schumacher. Das Reichsbanner kann heute für sich reklamieren, stets auf der Seite der Freiheit, der Demokratie und der Republik gestanden zu haben. Dem Kampf gegen Nationalsozialisten, Kommunisten und Monarchisten, die die Republik von Anfang an erbittert bekämpften, fielen etliche seiner Mitglieder zum Opfer – zumal nach der Machtübertragung auf Hitler, gegen den viele der Reichsbannermänner im Untergrund Widerstand leisteten.

Der nach wie vor bestehende Verband vereint auf Grund dieser Vergangenheit wohl wie kaum eine andere politische Organisation in Deutschland Geschichte, Gegenwart und Zukunft in sich. Auf Grund der am eigenen Beispiel erlebten Erfahrungen sowie seiner Demokratie- und Freiheitstraditionen, die über die Weimarer Zeit bis zur 1848er Revolution zurückreichen, kann das Reichsbanner bei drohenden Aushöhlungen der demokratischen Verfassungsordnung heute wohl mit besonderer Glaubhaftigkeit mahnen.

Für diese Verfassungsordnung stehen ebenso glaubwürdig die Organisationen der deutschen Heimatvertriebenen ein. Vor dem Hintergrund der Folgen, die Nationalismus und politischer Extremismus – in die auch Mitglieder aus den eigenen Reihen verstrickt waren – über Europa gebracht hatten, bekannten sie sich 1950 in der Charta der deutschen Heimatvertriebenen nicht nur zum Verzicht „auf Rache und Vergeltung“, sondern ebenso zur „Schaffung eines geeinten Europas […], in dem die Völker ohne Furcht und Zwang leben können“. Ihr Versprechen, „durch harte, unermüdliche Arbeit“ teilzunehmen „am Wiederaufbau Deutschlands und Europas“ bedeutete zugleich ein Bekenntnis zu einem demokratischen Deutschland, für das die deutschen Heimatvertriebenen – und Spätaussiedler – mit einer wachsenden Zahl an Unterstützern und Interessierten aus ihrem Umfeld bis heute eintreten.

Erinnerungspolitisch legt das Reichsbanner ebenso wie die deutschen Heimatvertriebenen besonderen Wert auf eine Politik, die selbstbewusst auch auf die positiven Teile und Traditionen der deutschen Geschichte aufmerksam macht. Dabei stehen die Revolution von 1848/1849 und die Paulskirche nicht nur für das Fanal des deutschen Parlamentarismus, sondern ebenso für ein Bekenntnis zur nationalen Einheit, das nicht Feindschaft, sondern Solidarisierung mit den Nachbarvölkern – und hier insbesondere dem polnischen Volk – begründete. Hinzu treten die demokratischen Errungenschaften der Weimarer Republik und der vielfältige Widerstand gegen den Nationalsozialismus sowie der Volksaufstand in der DDR am 17. Juni 1953. Die Friedliche Revolution und die Wiedervereinigung Deutschlands in einem geeinten Europa, an denen nicht zuletzt Deutsche mit Wurzeln im Osten Europas Anteil nahmen, bilden jüngere Bezugspunkte eines positiven Selbstverständnisses.

Die Gegnerschaft zu politischem und religiösem Extremismus ist das Eine, das positive Bekenntnis zu unserem Land und zu unserer Demokratie ist das Andere. Denn aus den Geschehnissen in Weimar ebenso wie aus den Verwerfungen der Geschichte Deutschlands mit seinen Nachbarn muss die Lehre gezogen werden, dass der demokratische, republikanische deutsche Staat überzeugte Unterstützerinnen und Unterstützer braucht, die diesen Staat nicht nur als notwendiges Übel ansehen, sondern als positiven Wert an sich begreifen. Dies muss stets im Mittelpunkt allen erinnerungspolitischen Bemühens stehen.

Lucas Koppehl ist Bundesgeschäftsführer des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, Bund aktiver Demokraten e.V.

Tilman A. Fischer ist Vorstandsbeauftragter der Westpreußischen Gesellschaft – Landsmannschaft Westpreußen e.V.

Erschienen in: Der Westpreuße – Begegnungen mit einer europäischen Kulturregion 3/2021.

Missionsstation Prag

Thomas Hüsch erlebt als Seelsorger der deutschsprachigen Gemeinde Bekenntnischristentum in einem säkularen Umfeld

Von Tilman A. Fischer

Das Jahr 2021 dürfte sich Thomas Hüsch wohl anders vorgestellt haben: Als er am 13. September vergangenen Jahres seine erste Messe in St. Johannes Nepomuk am Felsen zelebrierte herrschte in Prag noch halbwegs Normalität. Jedoch bereits seine für Oktober geplante offizielle Einführung als Gemeindeseelsorger der Deutschsprachigen Katholischen Pfarrei Prag durch Erzbischof Dominik Kardinal Duka OP musste aufgrund der Pandemielage abgesagt werden. Dann betreute Hüsch, der von seinem Heimatbistum Trier und dem Katholischen Auslandssekretariat der Deutschen Bischofskonferenz für zwei Jahre in die tschechische Hauptstadt entsandt ist, seine Gemeindeglieder monatelang im Lockdown-Modus. „Wir sind dankbar für die Möglichkeit, weiterhin Präsenzgottesdienste feiern können“, berichtet Hüsch, ansonsten hat die Gemeinde die persönlichen Begegnungen jedoch schmerzlich vermisst. Monatelang konnten alle Zusammenkünfte, wenn überhaupt, nur digital stattfinden.

Verstärkt habe sich in den Monaten der Pandemie die ökumenische Verbundenheit mit der Deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde Prag. „Der intensive Austausch“, so Hüsch, „ist in dieser Zeit für uns alle von großer Bedeutung.“ Bereits seit längerem geben beide Gemeinden einen gemeinsamen Monatsüberblick mit aktuellen Informationen heraus. Zudem werden der – gegenwärtig ebenfalls digitale – Religionsunterricht an der Deutschen Schule Prag sowie unterschiedliche andere Angebote gemeinsam verantwortet. „In vielen Punkten“, bekennt Hüsch, „sind die gemeinsame christliche Basis und die gemeinsame Sprache wichtiger als konfessionelle Unterschiede.“ Letzteres mag gerade auch für die – wenn auch verhältnismäßig kleine – Gruppe der autochthonen Deutschen unter den Gemeindegliedern gelten. Über sie ist die Pfarrei auch der deutschen Minderheit in Prag und Mittelböhmen verbunden. Weitere Kontakte konnte Hüsch bereits auch zur Ackermann-Gemeinde knüpfen, in der sich seit der Vertreibung sudetendeutsche Katholiken organisiert haben und sich grenzüberschreitend im Geiste der Versöhnung engagieren.

Festgottesdienst in der Kirche Sankt Johannes Nepomuk am Felsen in der Prager Neustadt anlässlich der Erhebung der dort ansässigen deutschsprachigen Katholische Gemeinde zu einer regulären Personalpfarrei des Erzbistums Prag. (Foto: LandesEcho)

Für heimatvertriebene wie heimatverbliebene Deutschböhmen ist die deutschsprachige Pfarrei von großer Bedeutung – steht sie doch beispielhaft für die Versöhnung und das europäische Miteinander von Deutschen und Tschechen nach Weltkrieg und Vertreibung. Die den wilden Vertreibungen folgende staatliche Aussiedlung der Sudetendeutschen jährt sich in diesem Jahr zum 75. Mal. Bereits vor fünf Jahren hatte Kardinal Duka die deutsche Gemeinde zu einer Personalpfarrei des Erzbistums Prag erhoben und diese Entscheidung im Festgottesdienst mit den Worten kommentiert: „Deutsch ist in Prag keine Fremdsprache.“ Thomas Hüsch selbst erlebt den Kontakt zu seinen tschechischen Amtsbrüdern und zur Diözesanverwaltung als sehr gut – und konnte trotz Corona bereits erste Eindrücke vom tschechischen Katholizismus sammeln. Diese stellen für ihn das in Deutschland verbreitete Bild der tschechischen Gesellschaft als „atheistisch“ in seiner stereotypen Einseitigkeit infrage.

Gewiss sei Tschechien aus historischen Gründen säkularer als Deutschland, jedenfalls mehr als seine Westerwälder Heimat, so Hüsch. Jedoch könne er dafür bei den Gläubigen eine „ausgeprägte Frömmigkeit“ feststellen: „Anstelle von volkskirchlichen Strukturen haben wir es in Tschechien mit einem Bekenntnischristentum zu tun.“ Zu beobachten, wie Kirche in dieser Weise bestehen und leben kann, erfährt Hüsch für sich persönlich als anregend. Auch vor dem Hintergrund seiner bisherigen Erfahrungen: Als Dechant des Dekanats Koblenz, dem er seit 2012 vorstand, war Hüsch an der Ende 2019 auf ein Veto des Vatikans hin ausgesetzten Pfarreireform des Bistums Trier beteiligt. In Tschechien sei das in Deutschland teilweise noch anzutreffende traditionelle Kirchenverständnis bereits nicht mehr praktikabel: „Hier kann man lernen, dass Kirche missionarisch sein und auf die Menschen zugehen muss.“ Ein Festhalten am Ideal der Volkskirche stellt für Hüsch hingegen einen „Kampf gegen Windmühlen“ dar.

Die Aufgeschlossenheit für die Vielfalt an christlichen Frömmigkeitsformen und kirchlichem Leben innerhalb des Katholizismus prägt Hüsch seit seinem Studium, welches er nach ersten Semestern in Heidelberg auf Einladung seines Bistums in der Gregoriana in Rom absolvierte, wo er zur Hausgemeinschaft des Collegium Germanicum et Hungaricum gehörte. Hier habe er gelernt, dass seine Kirche zwar „hierarchisch geführt, jedoch weltweit vielfältig“ sei. In Rom, vor allem aber durch außereuropäische Kommilitonen habe er Formen von Emotionalität, Gemeinschaft oder auch Heiligenverehrung kennengelernt, die den „verkopften“ Deutschen zunächst befremdeten. Eine frühe Beziehung zu Prag war übrigens bereits zur Zeit seines Studiums in Heidelberg entstanden, seit der Hüsch der Katholischen Deutschen Studentenverbindung Ferdinandea-Prag zu Heidelberg im CV angehört. Diese konnte bis zu ihrer dem Verbot durch die Nationalsozialisten zuvorkommenden Selbstauflösung 1939 auf eine 53jährige Tradition an der Prager Karls-Universität zurückblicken und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in Westdeutschland wiederbegründet.

Das Vorhaben, dass Hüschs Cartell- und Bundesbrüder ihm – wie bereits geplant – in Prag einen Besuch abstatten, musste freilich angesichts der Pandemie-Entwicklungen einige Zeit ausgesetzt werden. Vordringlicher als derlei persönliche Einschränkungen ist für den Seelsorger jedoch auch die Frage, wie „Corona die Gemeinde nachhaltig verändert“: „Wird sich auch die katholische Kirche langfristig auf ein niedriges Niveau von Gottesdienstbesuchen einstellen müssen? Welche Angebote halten die Gemeinden zusammen?“ In jedem Fall stellt sich Hüsch darauf ein, nach Ende der Pandemie die „Formate physischen Zusammenkommens“ massiv auszubauen. Er sei dankbar, hierbei an die Arbeit seines Amtsvorgängers Pater Martin Leitgöb CSsR anknüpfen zu können. Gespannt ist er darauf, welche Akzente er selbst zukünftig wird setzen können –, wenn in Prag wieder Normalität herrscht. Am ersten Augustwochenende steht anlässlich der 75-Jahr-Feier der Ackermann-Gemeinde ein deutsch-tschechisches Picknick in Prag auf dem Programm – mit Festmesse und Kulturprogramm.

Erschienen am 15. Juli 2021 in der Zeitung „Die Tagespost“ (www.die-tagespost.de).

Vielfältige Präsenz des Religiösen

Während die Pandemie das physische Reisen derzeit stark einschränkt, bietet es sich an, im Kopf zu fernen Zielen aufzubrechen. Ein Reiseführer des evangelischen Theologen Johann Hinrich Claussen nimmt den Leser mit zu den seltsamsten Orten der Religionen

Von Tilman Asmus Fischer

„Die beste, bildungsreichste und zugleich umweltschonendste Art des Reisens ist immer noch das Lesen.“ Und in Zeiten einer Pandemie wie der gegenwärtigen – so möchte man Johann Hinrich Claussen zustimmend ergänzen – auch die sicherste, zumindest abhängig vom potenziellen Reiseziel. Das neueste Buch des Theologen und Kulturbeauftragten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland richtet sich an – im ursprünglichen oder literarischen Sinne – reisefreudige Leser, die „religiös musikalisch“ gestimmt mit offenen Augen durch die Welt gehen. Entgegen der immer wieder vorgetragenen Säkularisierungsthese spürt dieses ganz eigene Reisebuch der vielfältigen Präsenz des Religiösen und dessen lebensweltlicher Bedeutung auf allen Kontinenten nach. Indem es auf diese Weise die Religion als eine „Angelegenheit des Menschen“ (Johann Joachim Spalding) ausweist, steht es in der besten kulturhermeneutischen Tradition liberaler Theologie.

Hierzu nimmt Claussen seine Leser mit auf eine Reise zu 42 Orten, welche er als „Die seltsamsten Orte der Religionen“ markiert. Wer hinter diesem Titel ein obskures Raritätenkabinett vermutet, täuscht sich. Claussen spielt zwar mit der Idee des „Exotischen“, bedient jedoch keinerlei Exotismus. Vielmehr geht es ihm darum, anhand von Orten, die vom Verständnis „normaler“ Religiosität einer deutschen Leserschaft abweichen, sowohl auf die Breite möglicher Formen von Religion hinzuweisen als auch eben das eigene Verständnis von „Normalität“ zu hinterfragen.

Daher fasst er zuallermeist in den 20 Kapiteln je zwei oder drei dieser Orte unter thematischen Gesichtspunkten zusammen und bezieht dabei fast durchgehend je auch ein Beispiel aus dem deutschen Sprachraum ein, welches von der scheinbaren „Normalität“ abweicht. So beschreibt er etwa in dem Kapitel über „Verstecke des Überlebens“ neben dem portugiesischen Ort Belmonte, in dem heute die letzten Nachfahren der geflohenen iberischen Juden leben, auch den Schweizer Mont Soleil. Auf diesem hatte der katholische Bischof von Basel an der Wende zum 18. Jahrhundert ursprünglich von Berner Reformierten verfolgten Täufern Asyl gewährt – freilich unter Auflagen: „Die Täufer durften nur auf einer Höhe ab 1 000 Metern wohnen.“

Das Spektrum, welches Claussen unter dem Stichwort „religiöser Orte“ eröffnet ist breit und anregend: Neben Kirchen und anderen Gotteshäusern kommen Gedenkorte für Terroranschläge (in Nizza und Berlin), religiös gedeutete Naturgegebenheiten (wie der Druiden-Baum von Herchies, Belgien) und Landschaften (etwa der Tempel des unendlichen Grüns im japanischen Kokedera) ebenso zur Geltung wie „religiöse Städte“ (etwa das Himmlische Jerusalem in Nkamba, Kongo) und virtuelle Orte wie Onlineplattformen der Post-Evangelicals in den USA.

Die Offenheit, mit welcher der Verfasser den unterschiedlichen Gestalten religiöser Kultur begegnet, ermöglicht ihm unter anderem, zu einer neuen Wertschätzung eines Phänomens zu gelangen, das hierzulande bereits seit langer Zeit lediglich belächelt wird: der Volksfrömmigkeit. Ein faszinierendes Beispiel hierfür ist der litauische Wallfahrtsort Kryžiu kalnas (Berg der Kreuze): „an die hunderttausend Kreuze“, so Claussen, „aus Metall, Holz oder Stein, einige roh zusammengeschweißt oder -genagelt, andere recht kunstvoll gestaltet, mit der Gestalt des Gekreuzigten und ohne, mit Inschriften in vielen Sprachen, die großen Kruzifixe über und über mit Rosenkränzen und kleineren Kreuzketten behängt. Ein Weg und dann eine Holztreppe führen mitten durch dieses katholische Symboldickicht zu einer Marienfigur oben.“ Seit dem 19. Jahrhundert gedenken die Litauer hier ihrer gefallenen Freiheitskämpfer – zuletzt in der Auseinandersetzung mit dem Sowjetkommunismus.

Mit bestimmten Orten berührt Claussen Formen von Religiosität, die der Volksfrömmigkeit verwandt erscheinen, aber doch in einem hohen Maße von Individualität – vielleicht auch einem gewissen Eigensinn – geprägt sind. Das gilt etwa für die „Sakralbauten von Eigenbrötlern“. Hier erinnert der Verfasser etwa an Väterchen Timofej, der sich noch während des Zweiten Weltkriegs aus Russland aufmachte, um in München (auf dem Gelände des heutigen Olympiaparks) die Ost-West-Friedenskirche zu errichten, in der er bis zu seinem Tod im Jahr 2004 täglich die orthodoxe Liturgie feierte und mit den Menschen, die zu ihm kamen, sprach – ohne je Theologie studiert zu haben oder von einer orthodoxen Kirche anerkannt worden zu sein.

„Die seltsamsten Orte der Religionen“ führt allerdings nicht nur den Reichtum der Weltreligionen vor Augen. Das Buch verweist auch auf zweierlei anderes: auf bedrohte wie auch auf fragwürdige Religiosität. In erster Hinsicht sind etwa die uigurischen Heiligenschreine von Xinjiang bedeutsam, die vom rotchinesischen Regime in seinem Kampf gegen die autochthonen Muslime angegriffen werden: „Aus scheinbarem Respekt vor den Uiguren erkennt sie [die Pekinger Zentralregierung; TAF] bedeutende Moscheen und Schreine als ,Stätten des kulturellen Erbes‘ an. Damit verwandelt sie diese lebendigen religiösen Orte in Museen und entzieht sie ihrer eigentlichen Nutzung.“ Als Beispiel für den zweiten Gesichtspunkt gilt eines der beliebtesten Ausflugsziele der Deutschen: die Bad Meinberger Externsteine. Detailliert zeichnet Claussen ihre Inszenierung als Kultstätte germanischer Religion nach, wie sie vor allem im Nationalsozialismus propagiert und noch heute von Rechtsextremisten gepflegt wird.

Im Falle einzelner Orte kann das Buch beim Leser freilich den Wunsch nach einer kritischeren Thematisierung theologischer Anfragen an deren religiösen Charakter hinterlassen. Dies gilt im Besonderen für den Tierfriedhof Hamburg-Jenfeld. Im Anschluss an die Betrachtung der dort gepflegte Trauerkultur wirft Claussen die Frage auf: „Wenn Menschen also um einen Hund oder eine Katze aufrichtig trauern, sollte man dann als Pastor den Abschied nicht aus seelsorgerlichen Gründen begleiten?“ Hier dürften sich allerdings durchaus weitergehende Fragen aufdrängen: Welche Konsequenzen hat eine – zumal religiös eingekleidete – „Vermenschlichung“ der tierischen Mitgeschöpfe für ein sachgemäßes und verantwortliches Verhältnis des Menschen zu sich selbst wie eben auch zum Tier? Und welche möglichen Interventionen ergeben sich hier aus der Perspektive des christlichen Begriffs von Mensch und Schöpfung?

Beschlossen wird das Buch von einem Ort, der dem Verfasser besonders wichtig gewesen zu sein scheint, widmet er ihm doch als einzigem ein Kapitel für sich. Immerhin kennzeichnet Claussen diesen Ort – mitten im Grenzdurchgangslager Friedland – auch als ein Unikum: „Mittendrin, ganz unauffällig, befindet sich die ,Evangelische Lagerkapelle‘, wie auf einem Schild in altertümlicher deutscher Schrift über dem schlichten Eingang zu lesen ist. Doch so bescheiden sie sich gibt, stellt sie dennoch etwas Einzigartiges dar. Denn kein anderes Aufnahmelager in Deutschland besitzt solch eine eigene Kirche.“ Es zeichnet Claussens „Reisebuch“ aus, dass es gerade auch zum Kennenlernen solcher auf den ersten Blick „unspektakulärer“ Orte einlädt – wie dieses nach dem Zweiten Weltkrieg für deutsche Ostvertriebene geschaffene Gotteshauses, dessen innere Gestalt von Werken der bedeutenden Erbauungskünstlerin Paula Jordan geprägt ist. Ein Besuch der werktags von acht bis 17 Uhr öffentlich zugänglichen Kapelle ließe sich gewiss auch mit einer Besichtigung des 2016 eröffneten Museums Friedland verbinden, welches die Geschichte des Aufnahmelagers dokumentiert.

Erschienen am 12. November 2020 in der Zeitung „Die Tagespost“ (www.die-tagespost.de).

Johann Hinrich Claussen, Die seltsamsten Orte der Religionen, München 2020.

Verwandelnde Kraft des gemeinsamen Erinnerns

Anlässlich des Erscheinens des Sammelbandes „Geteilte Erinnerung – versöhnte Geschichte?“ spricht Annette Kurschus im Interview mit Tilman Asmus Fischer über die Aufarbeitung der deutsch-polnischen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen und stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende ist Beauftragte des Rates der EKD für die deutsch-polnischen Beziehungen.

Präses Kurschus, welche Impulse konnten im Rahmen des offiziellen Gedenkens zum 80. Jahrestag des Überfalls auf Polen 2019 gesetzt werden, wie es das Buch „Geteilte Erinnerung – versöhnte Geschichte?“ exemplarisch dokumentiert?

Den 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen haben wir, die Evangelische Kirche in Deutschland gemeinsam mit unseren Partnern im Polnischen Ökumenischen Rat, zum Anlass genommen, in Warschau einen ökumenischen Gedenk- und Friedensgottesdienst zu feiern. In ihrer jeweiligen polnischen oder deutschen Muttersprache kamen darin Menschen zu Wort, die das Leid hautnah erlebt haben und trotzdem – oder gerade deshalb – über Jahrzehnte hinweg behutsame Schritte aufeinander zu gegangen sind. Welche verwandelnde Kraft das gemeinsame Erinnern in sich birgt und wie es uns ermutigt, den Weg der Versöhnung konsequent weiterzugehen, wurde an diesem Tag spürbar.

Präses Dr. h. c. Annette Kurschus (Foto: EKvW / Jörg Dieckmann)

Welche Akzente wiederum setzt der von Ihnen mitverantwortete Sammelband für die kritische Auseinandersetzung mit den Jahren von Nationalsozialismus und Krieg, die vor 75 Jahren endeten?

Unser Band versammelt teils unveröffentlichte Forschungsbeiträge, die aus der Arbeit der sog. Gemeinsamen Kirchengeschichtskommission des Rates der EKD und des Polnischen Ökumenischen Rates hervorgegangen sind. Die Kommission hat ihre Arbeit im Wendejahr 1989 aufgenommen und in vielfacher Hinsicht Neuland betreten. Zum ersten Mal überhaupt haben sich deutsche und polnische Forscher gemeinsam einem Zeitabschnitt zugewandt, der auf beiden Seiten mit traumatischen Erinnerungen verbunden ist. Auf deutscher Seite haben sie uns mehr und mehr zu verstehen gegeben, wie tief unselige Ideologien und nationalsozialistische Propaganda auch unsere kirchliche Haltung gegenüber unseren polnischen Nachbarn geprägt haben – übrigens bis weit über 1945 hinaus. Insofern dokumentiert unser Sammelband, wie wichtig die historische Aufarbeitung dieser unheilvollen Verästelungen für den Verständigungs- und Versöhnungsprozess zwischen Polen und Deutschen bis heute ist. Unsere Erinnerungskultur braucht die historische Expertise, nicht nur um das Vergangene zu verstehen, sondern auch unsere gegenwärtige Verantwortung zu begreifen.

1945 bedeutete zugleich insofern eine historische Zäsur, als eine nicht gewaltlose Nachkriegszeit und letztlich Jahrzehnte der Blockkonfrontation folgten. Welche Aspekte dieser spannungsreichen Phase werden von den Autoren beleuchtet?

Die Beiträge zur Entwicklung in den Nachkriegsjahren arbeiten die verheerenden Folgen des Nationalsozialismus, die Konsequenzen der territorial-politischen Verän­derungen und die Auswirkungen der kommunistischen Regime auf die Kirchen in Polen und in Deutschland auf. Sie decken Versuche ihrer Instrumentalisierung auf, aber auch die zarten Neuanfänge der Annäherung. Exemplarisch verweise ich auf die Arbeit meines Mitherausgebers Dr. Bernd Krebs, der sich um die Erforschung der deutsch-polnischen Beziehungen in besonderer Weise verdient gemacht hat, und die seines polnischen Kollegen Jarosław Kłaczkow. Es ist ein Erfolg der Gemeinsamen Kirchengeschichtskommission, dass zur Erforschung dieser wichtigen Phase neben deutschen Quellen erstmals auch Quellen aus kirchlichen Archiven in Polen genutzt wurden. Nur so konnte ein differenziertes Bild entstehen.

Wie ist vor dem Hintergrund dieser Rahmenbedingungen das historische Versöhnungswerk evangelischer Christen diesseits und jenseits von Oder und Neiße zu bewerten?

Tatsächlich wird man sagen dürfen, dass der Verständigungs- und Versöhnungsprozess zwischen Deutschland und Polen, der ja ein Meilenstein zur Überwindung der Teilung Europas war, wesentlich von den Kirchen in Deutschland und Polen mitgestaltet und befördert wurde. Er begann leise und unscheinbar durch Einzelkontakte, Gemeindebesuche und erste Partnerschaften. Historische Bedeutung erlangte daraufhin die sog. „Ostdenkschrift“ der EKD aus dem Jahr 1965, die in grundsätzlicher Weise die Frage nach dem Verhältnis zu den polnischen Nachbarn gestellt hat und damit der Annäherung auf politischer Ebene den Boden bereitete. Aber, und das betone ich ausdrücklich, es waren nicht nur evangelische Christen an diesem Prozess maßgeblich beteiligt. Ich erinnere an einen Brief desselben Jahres, worin katholische polnische Bischöfe an ihre deutschen Amtskollegen schrieben: „Wir vergeben und wir bitten um Vergebung“. Auch das war ein Meilenstein.

Welchen Beitrag können die protestantischen Kirchen in Deutschland und Polen zum grenzübergreifenden Miteinander heute erbringen, da die Beziehungen zwischen dem westlichen und östlichen Europa auf neuartige Weise angespannt sind?

Gerade in der gegenwärtigen Situation, in der die Vorbehalte zwischen europäischen Partnern und Nachbarn wieder größer zu werden drohen, in der rechtspopulistische Kräfte Sand ins Getriebe des Versöhnungsprozesses streuen und Öl ins Feuer alter Ressentiments gießen, kommt den starken Beziehungen zwischen unseren Kirchen eine wichtige Bedeutung zu. Ich denke an die vielen Gemeindepartnerschaften, die den Dialog fördern und aufrecht erhalten. Und ich denke an die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland und dem Polnischen Ökumenischen Rat und ihre jahrzehntelange gute Tradition. Gemeinsam mit unseren polnischen Partnern beobachten wir die Entwicklungen in Europa mit Sorge. Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie rückwärtsgewandte Geister den Versöhnungs- und Friedensprozess in Europa umkehren.

Bernd Krebs/Annette Kurschus/Dirk Stelter (Hrsg.), Geteilte Erinnerung – versöhnte Geschichte? Deutsche und polnische Protestanten im Spannungsfeld der Ideologien des 20. Jahrhunderts, Verlag Kohlhammer, Stuttgart 2020, 258 Seiten, 29 Euro

Erschienen in: „die Kirche“ – Evangelische Wochenzeitung für Berlin, Brandenburg und die schlesische Oberlausitz 45/2020.

Niederlagen können manchmal befreiend sein

Anlässlich des 75. Jahrestages der Kapitulation der Deutschen Wehrmacht am Ende des Zweiten Weltkriegs ist – wie bereits mehrfach in den vergangenen Jahrzehnten – über die Deutung des 8. Mai 1945 diskutiert worden. Dabei stand erneut die von Bundespräsident Richard von Weizsäcker 1985 geprägte Formulierung des „Tages der Befreiung“ im Zentrum der Debatte. Über die Potenziale und Grenzen dieses Begriffs sprechen der Journalist und DW-Redakteur Tilman Asmus Fischer und der deutsch-amerikanische Politikwissenschaftler Joseph Verbovszky – und fragen nach der Bedeutung des Gedenktags für Europa.

Tilman Asmus Fischer: Im Mai hat sich fast die ganze westliche Welt an den 75. Jahrestag des Kriegsendes und Sieges über Deutschland erinnert. Mit seiner berühmten Rede von 1985 hat Bundespräsident Richard von Weizsäcker für den 8. Mai den Begriff des „Tags der Befreiung“ auch in die offizielle Erinnerungskultur Deutschlands implementiert. Wie blicken Sie als Politikwissenschaftler und Historiker, der sich mit den Folgen des „kulturellen Traumas“ des Zweiten Weltkrieges für die deutsche Politik befasst, auf die heutige Verwendung des Begriffs „Tag der Befreiung“?

Joseph Verbovszky: Der 8. Mai ist für viele, aber nicht für alle ein „Tag der Befreiung“, denn Deutschland hat letztlich den Krieg verloren und Ostdeutschland sowie ganz Osteuropa kamen von einer Schreckensherrschaft unter die nächste. Dennoch stellt der deutsche Außenminister Heiko Maas in einem gemeinsamen Beitrag mit Andreas Wirsching zum 8. Mai 2020 für den „Spiegel“ eine wichtige Frage, nämlich: Wie können wir diesen Tag in das kollektive Gedächtnis Europas eingehen lassen, damit er uns vereint?

Interessanterweise klingt dies bereits in der Weizsäcker-Rede zumindest am Rande an, insofern der 8. Mai nicht per se als „Tag der Befreiung“ selbstverständlich ist: Wenn von Weizsäcker eben auf die mit dem Kriegsende einhergehende Etablierung der kommunistischen Gewaltherrschaft im östlichen Europa verweist, überlässt er dem Hörer bzw. Leser die Frage, inwiefern für die Völker des Ostblocks der 8. Mai 1945 in einem umfassenden Sinne eine Befreiung bedeutete. Expliziter spricht er deren Lage erst 1989 in seiner Rede zum Jubiläum des Grundgesetzes an: Jenseits der Grenzen Europas lebten „Menschen, die Europäer sind wie wir, geprägt von der gemeinsamen Geschichte, erfüllt vom selben Verlangen nach Freiheit und gerechten Lebenschancen“.

Überhaupt ist es nicht ganz ohne Ironie, dass sich der Begriff des „Tags der Befreiung“ gerade mit dieser 1985 gehaltenen berühmtesten Rede von Weizsäckers verbindet: Diese ist möglicherweise der eilig angefertigte Neuentwurf einer Rede, in der Weizsäcker ursprünglich auch für Rudolf Heß, den ehemaligen Stellvertreter Hitlers, um Begnadigung ersuchen wollte. So behauptete es zumindest der damalige Redenschreiber von Weizsäckers, Friedbert Pflüger. Aufgrund des Skandals um den Besuch Bundeskanzler Helmut Kohls und des US-amerikanischen Präsidenten Ronald Reagen auf dem Soldatenfriedhof Bitburg, wo unter anderem auch Angehörige der Waffen-SS beerdigt worden sind, musste von Weizsäcker seine Rede umschreiben, was zu der allgemein bekannten Fassung führte.

Aber mindert das die große Bedeutung von Weizsäckers Rede?

Nein, denn mit ihr stellte sich der Bundespräsident eben einem kulturellen Trauma der deutschen Gesellschaft. Laut dem Soziologen Jeffrey Alexander folgt ein kulturelles Trauma nicht direkt aus den unmittelbaren Erschütterungen eines historischen Ereignisses – also etwa eines Krieges oder einer Niederlage. Es entsteht vielmehr erst, wenn die mit diesen Ereignissen verbundenen Erfahrungen in das kollektive Gedächtnis eingehen, wo sie einen wesentlichen Teil der kollektiven Identität bilden. Dies geschieht, indem soziale Akteure wie etwa Staatspräsidenten in herausgehobenen Sprachhandlungen um die Deutungshoheit des historischen Geschehens ringen.

In welcher Weise hat von Weizsäcker dies unternommen?

Von Weizsäcker postulierte: „Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.“ Diese Aussage blieb nicht unumstritten. In der Tat, als eine erste Reaktion distanzierten sich 30 Bundestagsabgeordnete der CDU/CSU von von Weizsäckers Aussage. Und zehn Jahre später fand die Debatte auch noch kein Ende, denn einige dieser Parlamentarier veröffentlichten nun einen „Appell“, in dem sie von Weizsäcker aufs Schärfste kritisierten: dessen Bezeichnung des 8. Mai könne „nicht Grundlage für das Selbstverständnis einer selbstbewussten Nation sein“.

Aber geht von Weizsäckers Deutung des 8. Mai in ihrer Gesamtheit im Begriff des „Tags der Befreiung“ auf? Lassen Sie mich einen Gedanken aus der Bibelwissenschaft auf die Deutung dieses Dokuments der Zeitgeschichte anwenden! In der biblischen Exegese ist die Frage nach der inhaltlichen Mitte der Schrift von zentraler Bedeutung. Es geht um die Frage nach einer Kernaussage – die Ausleger in der Christusbotschaft erkennen –, von der aus sich die Gesamtheit der Schrift erschließen lässt. Dies bedeutet jedoch wiederum nicht, dass diese inhaltliche Mitte jeden der biblischen Texte gleichermaßen regiert; vielmehr treten weitere Bedeutungsgehalte und Aussagen neben die Kernaussage. Gilt das nicht auch für die Weizsäcker-Rede? Deren inhaltliche Mitte ist zu Recht in der Aussage identifiziert worden: „Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung.“ In ihrer Rezeptionsgeschichte scheint jedoch weitestgehend vergessen worden zu sein, dass eben auch im Falle dieses Textes sein gesamter Aussagegehalt nicht in seiner inhaltlichen Mitte aufgeht. Unterzieht man die Rede heute, nach 35 Jahren, einer Wiederlektüre, wird vielmehr deutlich: Die aus der Rede abgeleitete und heute scheinbar selbstverständliche Apostrophierung des 8. Mai als „Tag der Befreiung“ ist gerade keine Selbstverständlichkeit, sondern eine höchst voraussetzungsreiche Einsicht, deren Komplexität nicht reduziert werden darf.

Dies aber geschieht aktuell. Und so scheint weniger von Weizsäckers umfassendere Interpretation des 8. Mai als vielmehr das mit ihr gesetzte Narrativ des „Tags der Befreiung“ die Deutungshoheit errungen zu haben, nicht nur in Deutschland, sondern im gesamten Westen. Die Auseinandersetzung ist aber nicht endgültig beigelegt, denn nicht wenige beharren immer noch auf einem „Tag der Niederlage“. Also lautet die Frage in der öffentlichen Debatte weiterhin zugespitzt: „Tag der Niederlage“ oder „Tag der Befreiung“?

Tilman A. Fischer und Joseph Verbovszky im Gespräch.

Für wen gewinnt der 8. Mai dabei welche Bedeutung? Zunächst: Der „Tag der Befreiung“…

Das war der 8. Mai sicherlich für ganz Westeuropa sowie alle Menschen, die die Schrecken des Terrors – wie diejenigen der Konzentrationslager – erleben mussten. Die Rede von Weizsäckers hat Platz genau für dieses Narrativ im kollektiven Gedächtnis der Deutschen geschaffen, auch wenn Deutschlands Niederlage eine historische Tatsache bleibt. Obwohl wir die Geschichte nicht ändern können, haben wir die Freiheit, das kollektive Gedächtnis fortwährend umzubilden. Mit wachsender Distanz zu den historischen Ereignissen gewinnt das kollektive Gedächtnis an Bedeutung, vor allem für künftige Generationen. In diesem Sinne war die Rede von Weizsäckers ein „Reclaiming“, eine Art Neu-Besetzung des 8. Mai als „Tag der Befreiung“.

Und wie steht es um den „Tag der Niederlage“?

Die meisten Deutschen, darunter auch viele Flüchtlinge aus den verlorenen Ostgebieten, hätten unmittelbar nach dem Kriegsende sicherlich erstaunt geschaut, wenn jemand den 8. Mai als Tag der Befreiung bezeichnet hätte. Viele Osteuropäer, die die Gewaltherrschaft des Warschauer Pakts bis 1990 erdulden mussten, hätten dieser Charakterisierung des Kriegsendes wohl auch nur mit der Pistole auf der Brust zugestimmt – was sie dann ja auch im übertragenen Sinne über Jahrzehnte vollziehen mussten. Das heißt aber wohlgemerkt nicht, dass sie sich über einen deutschen Sieg gefreut hätten.

Bemerkenswert sind doch die Worte, die von Weizsäcker mit Blick auf Flucht und Vertreibung fand: „Bei uns selbst wurde das Schwerste den Heimatvertriebenen abverlangt.“ Diese Formulierung erinnert wohl nicht umsonst an die – heute ideologiegeleiteter Kritik ausgesetzte – Forderung der Charta der deutschen Heimatvertriebenen: „Die Völker der Welt sollen ihre Mitverantwortung am Schicksal der Heimatvertriebenen als der vom Leid dieser Zeit am schwersten Betroffenen empfinden.“ Gerade vor dem Hintergrund der inneren Ambivalenz der „Erfahrungszäsur“ (Edgar Wolfrum) des 8. Mai, die Weizsäcker eben gerade nicht negiert, sondern aushält, wird verständlich, dass er diesen Tag auch – und vornehmlich –, aber eben nicht eindimensional und ausschließlich als „Tag der Befreiung“ bezeichnet. So handelt es sich für ihn aus deutscher Perspektive um „kein[en] Tag zum Feiern“, sondern vielmehr einen „Tag der Erinnerung“.

Ebenso vielschichtig wie von Weizsäckers Deutung des 8. Mai ist übrigens die Frage, was aus dieser historischen Zäsur folgte. Hierfür muss man verstehen, was an dem Tag verloren sowie gewonnen wurde. Denn dies hat Konsequenzen auch für Gegenwart und Zukunft – zumal Europas.

Gehen wir dem nach! Was wurde verloren?

Deutschlands Souveränität sowie seine hegemonialen Ansprüche und – am wesentlichsten für die Zeit nach dem Krieg – das Vertrauen der Völkergemeinschaft. Der 8. Mai 1945 bedeutete aber auch das Ende der eurozentrischen Weltordnung. Das Europa der Vorkriegszeit war alleine nicht in der Lage gewesen, das Hegemonialstreben Deutschlands zu bändigen; ebenso war Deutschlands Gegenentwurf eines von Berlin dominierten „europäischen“ Großreichs gescheitert. Aus diesen Trümmern erstand die euro-atlantische Ordnung unter der Führung der USA, in deren wirtschaftlichen, kulturellen und militärischen Strukturen wir heute leben. In diesem Sinne erfuhr auch „Europa“ – als eigenständige weltpolitische Größe – am 8. Mai 1945 einen eindeutigen „Tag der Niederlage“.

Dies entspricht dann aber auch schon wieder der Näherbestimmung dessen, was für von Weizsäcker der „Tag der Befreiung“ bedeutete, nämlich die Befreiung „von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“ bzw. „das Ende eines Irrwegs deutscher Geschichte […], das den Keim der Hoffnung auf eine bessere Zukunft barg“. Also: Was wurde wiederum gewonnen?

Frieden und eine neue stabile internationale Ordnung der humanistischen Werte, die zu beispiellosem Wachstum und Fortschritt der westlichen Welt geführt hat. Dies war aber nur möglich im Kontext der Westbindung, dominiert durch die USA.

Lassen Sie uns zum Schluss vor dem Hintergrund unserer Überlegungen auf die Frage des Bundesaußenministers zurückkommen: Wie können wir den 8. Mai in das kollektive Gedächtnis Europas integrieren, so dass er die Gemeinschaft vereint?

Der 8. Mai kann uns vereinen, indem wir gedenken, was verloren gegangen ist, und feiern, was wir gewonnen haben. Dies ist aber keineswegs ein ausschließlich europäisches Narrativ. Unsere heutigen Werte sind nicht exklusiv europäisch, sondern allgemein westlich und werden auf beiden Seiten des Atlantiks geteilt. Diese Tatsache müssen wir anerkennen, wenn wir ein wahrhaftiges und der Zukunft zugewandtes Narrativ schaffen wollen. Wir müssen anerkennen, dass die alte Welt endgültig verloren ist und etwas Neues auf den Trümmern dessen gewachsen ist, wovon wir ein Teil sind. Und es ist genau dieses Akzeptieren der Veränderung, das befreiend wirkt.

Joseph Verbovszky promoviert an der Universität der Bundeswehr München zum Thema „Cultural Trauma and National Security: Structural Pacifism in Germany“. Er besitzt Master-Abschlüsse in International Relations and Economics von der Johns Hopkins School of Advanced International Studies sowie in Geschichte von der Case Western Reserve University. Er war als Strategic Analyst sowohl im deutschen als auch im Schweizer Defense-and-Technology-Sektor tätig.

Zum 100. Geburtstag Richard von Weizsäckers hat der Verlag Herder eine Sammlung von Reden des früheren Bundespräsidenten zur Demokratie herausgegeben. Diese enthält neben der Rede zum 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges auch diejenigen zu 40 Jahre Grundgesetz 1989 und zur deutschen Einheit 1990. Ergänzt werden diese Dokumente durch ein Vorwort von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble sowie eine Einordnung des Zeithistorikers Edgar Wolfrum.
Richard von Weizsäcker, Lernen Sie, miteinander zu leben, nicht gegeneinander. Reden zur Demokratie, Freiburg i. Br. 2020. Geb., 112 S., € 14,–; ISBN: 978-3-451-07218-5.

Erschienen in: Der Westpreuße – Begegnungen mit einer europäischen Kulturregion 5/2020.