Religion und Mission in Taiwan

Zwischen Himmel und Meer: Eine Anthologie taiwanischer Literaturen erhellt die Rezeption des Christentums

Von Tilman Asmus Fischer

Die Präsidentschaftswahlen am 13. Januar lenken neuerlich die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf Taiwan – insbesondere aufgrund ihrer Implikationen für die globalen Spannungen zwischen den USA und der Volksrepublik China, der die Republik China (so der offizielle Name Taiwans) als ‚abtrünnige Provinz‘ gilt und die freiheitliche Demokratie auf der Insel ein Dorn im Auge ist. So gut und wichtig jede Aufmerksamkeit ist, die die bedrohte Lage Taiwans in der westlichen Welt findet: die Fokussierung auf die sicherheitspolitische Lage zeitigt die Nebenwirkung, dass Taiwan vor allem als geopolitische Größe in den Blick gerät. Reichtum und Vielfalt seines kulturellen Erbes geraten dabei weitestgehend aus dem Sichtfeld. Umso erfreulicher ist es, dass der Sinologe und Taiwanologe Thilo Diefenbach mit „Zwischen Himmel und Meer“ eine spannende „Anthologie taiwanischer Literaturen“ vorgelegt hat – und diese Ende 2023 auch noch mit dem renommierten Johann‐Friedrich‐von‐Cotta‐Übersetzungspreis der Landeshauptstadt Stuttgart ausgezeichnet wurde.

Zur kulturellen Vielfalt Taiwans – die Diefenbach von mündlichen Überlieferungen bis in der Gegenwartsprosa nachvollzieht – gehört auch diejenige der Religionen. Dabei kommt dem Christentum eine zwar zahlenmäßig geringe, jedoch historisch wie gegenwärtig eigenständige Bedeutung zu. Hiervon legte im Übrigen der Weltgebetstag 2023, dessen Gastgeberland Taiwan war, ein lebendiges Zeugnis ab. Und auch in Diefenbachs Anthologie ist das Christentum in einzelnen Texten präsent. Anhand von vier in diesem Zusammenhang besonders markanten Beiträge, die sämtlich aus dem 20. Jahrhundert stammen, sei hier die für den Zugriff Diefenbachs auf die taiwanischen Literaturen typische Perspektivenvielfalt nachvollzogen.

Sakura Magozo veröffentlichte 1903 als – dem klassischen Sinitisch mächtiger – japanischer Kolonialbeamter seine „Notizen über den Alltag in Taiwan“, aus denen Diefenbach den Auszug „Das Christentum in Taiwan“ auswählt. Interessant sind die kurzen Ausführungen weniger aufgrund der – wie Diefenbach in seinem Kommentar zeigt, vielfach fehlerhaften – Angaben zur Taiwanischen Missionsgeschichte, sondern als Zeugnis eines sich dem kolonialem Blickwinkel verschuldenden funktionalen Religionsverständnisses, das in Christentum und Buddhismus Instrumente zur „Volkserziehung“ erblickt. Einen Eindruck von der literarischen Rezeption der christlichen Religion in Taiwan vermitteln in je eigener Weise das anonym verfasste Gedichte „Ins Nichts“, das 1909 in den „Kirchennachrichten von Tainan“ erschien, sowie die Erzählung „Der Schamanin letzter Tag“ Topas Tamapima aus dem Jahre 1992.

Das Gedicht ist dabei sowohl von seinem Inhalt als auch von seiner textlichen Beschaffenheit her bedeutsam. In erster Hinsicht, insofern die in ihm vorgenommene Thematisierung der Nichtigkeit menschlichen Strebens eine markante Nähe zu alttestamentlichen Weisheitsliteratur aufweist und deren Einsichten religionsproduktiv fruchtbar macht. In zweiter Hinsicht, insofern das Gedicht in Pe̍h-ōe-jī überliefert ist, einem von Missionaren entwickelten lateinischen Umschriftsystems, das in diesem Fall auf das Taiwanesische Anwendung fand. Dieses ist eine vom Mandarin unterschiedene chinesische Sprache, die – neben den Sprachen der Ureinwohner – traditionell in Taiwan gesprochen wird. Damit ist das Gedicht ein Dokument der Wertschätzung, die gerade christliche Kirchen und Missionare den vielfältigen Sprachen der Insel entgegenbrachten. In der Zeit des „Weißen Terrors“ der Kuomintang (KMT), die die Republik China auf Taiwan von 1949 bis 1987 mit Kriegsrecht führte, sollte sich dies als wichtig erweisen: Während die Regierung (unterstützt von Vertretern der methodistischen Kirche, der Langzeit-Präsident Chiang Kai-shek angehörte) eine brutale Sinisierungspolitik durchführte und alles Nicht-Chinesische unterdrückte, waren es insbesondere einzelne Missionare und Kirchen, die sich für die Bewahrung der autochthonen Sprachen einsetzten.

Von der Präsenz der christlichen Religion gerade unter den indigenen Völkern Taiwans vermag sodann auch die Erzählung Tamapimas zu zeugen. Der Sohn einer christlichen Familie aus dem Volk der Bunun setzt seiner Protagonistin als Gegenspieler einen mit feinem – von Sympathie getragenen – Humor gezeichneten Priester gegenüber. Aus der engen Beziehung vieler Kirchen gerade zu den – von der KMT unterdrückten – autochthonen Bürgern Taiwans ergab sich nicht zuletzt eine intensive Verbindung zwischen christlichen Milieus und der Oppositionsbewegung. Und so mag es nicht Wunder tun, dass das systemkritische Gedicht „Friedenstheater“ (1968) mit Tu-P’an Fang-ko gerade von einer dezidiert christlichen Schriftstellerin Feministin verfasst wurde.

Anhand der hier exemplarisch ins Licht gesetzten Beiträge ist nicht nur Religion – von der hier mit dem Christentum nur ein kleiner Ausschnitt gewählt ist – als ein zentrales Thema der taiwanischen Literaturen markiert. Vielmehr dürfte ein weit darüber hinausgehendes zentrales Thema Diefenbachs angeklungen sei: das sich in der Literatur spiegelnde Ringen um eine eigenständige taiwanische Identität in der Pluralität der kulturellen Einflüsse und Sprachen, die die Insel prägten und prägen. Dies – in der Breite der Literaturgeschichte – nachvollzogen zu haben ist in Zeiten, in denen die Eigenständigkeit Taiwans ins gefährlicher Weise in Frage gestellt wird, von nicht zu unterschätzendem Wert.

Thilo Diefenbach (Hrsg.), Zwischen Himmel und Meer. Eine Anthologie taiwanischer Literaturen, München 2022. ISBN 978-3-86205-559-3, 548 Seiten, geb., 11 farbige Abb., EUR 48,–

Erschienen am 11. Januar 2024 in der Zeitung „Die Tagespost“ (www.die-tagespost.de).

Eine Chance für Bildung und Verständigung

Die Union Evangelischen Kirchen plant die Rückkehr eines Kunstschatzes nach Danzig. Ein Gastkommentar

Von Tilman A. Fischer

Bereits seit Jahrzehnten zeigt das Lübecker Annen-Museum wechselnde Einzelstücke aus dem Danziger Paramentenschatz – kunsthistorisch bedeutende liturgische Gewänder aus vorreformatorischer Zeit, die sich bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs im Besitz der evangelischen Marienkirchengemeinde in Danzig befunden hatten. Deren letzter Pfarrer, Gerhard Gülzow, rettete die kostbaren Textilien vor der Kriegszerstörung. Deren einer Teil landete in Thüringen, von wo er bereits kurz nach dem Krieg nach Danzig verbracht wurde – freilich nicht in die Marienkirche, sondern rechtswidrig in den staatlichen Besitz des Nationalmuseums Danzig. Der andere Teil gelangte – ebenso wie übrigens viele vertriebene Danziger – nach Lübeck. Hier wird er im Annen-Museum als Leihgabe der Union Evangelischer Kirchen (UEK), der Rechtsnachfolgerin der Danziger Gemeinde, öffentlich präsentiert – ebenso wie Einzelstücke im Germanische Nationalmuseum in Nürnberg.

Am 8. Dezember 2022 teilte die UEK über eine Pressemitteilung mit, sich mit der heute katholischen Marienkirchengemeinde in Danzig in einem „Letter of Intent“ auf eine Rückkehr der Paramente an ihren Herkunftsort und in das Eigentum der katholischen Gemeinde verständigt zu haben – unter der Auflage einer adäquaten Präsentation sowie konservatorischen Betreuung und bei fortgesetzter Präsenz von Einzelstücken als Leihgaben in Lübeck und Nürnberg. Diese Entscheidung bietet eine große Bildungschance: Am historischen Ort kann ausgehend von dem Paramentenschatz die Bedeutung des gemeinsamen deutsch-polnischen Kulturerbes – sowie die gemeinsame bzw. geteilte Geschichte beider Nationen – der Öffentlichkeit sichtbar gemacht und erschlossen werden.

Überrascht von der Entscheidung wurden im vergangenen Jahr die noch lebenden Vertriebenen aus Danzig und dessen Umland – dem früheren Westpreußen – sowie ihre historisch interessierten Nachfahren, die von dieser Vereinbarung erst durch die Presse erfuhren. Umso erfreulicher war es, dass die UEK ein Jahr später, am 8. Dezember 2023, die Öffentlichkeit zu einer Informations- und Diskussionsveranstaltung ins Haus Hansestadt Danzig in Lübeck eingeladen hat. Hier kamen neben Mitgliedern des deutsch-polnischen Beirats, der die Rückkehr der Paramente begleitet, auch Vertreter der Vertriebenen und ihrer Nachfahren zu Wort. Aus deren Reihen wurden kritische Anfragen – teils auch eine klare Ablehnung des Vorhabens –, jedoch auch weiterführende Vorschläge formuliert wie die Schaffung einer europäischen Institution, die für Bewahrung und Präsentation der Paramente in Danzig verantwortlich sein solle.

Erfreulich klar bekannten sich sowohl der Prälat der Marienkirche, Ireneusz Bradtke, als auch der Danziger Kunsthistoriker Tomasz Torbus zur gemeinsamen deutsch-polnischen – mithin europäischen – Prägung der kulturellen Identität Danzigs. Der von deutscher Seite her den Beirat koordinierende Oberkirchenrat Martin Evang betonte in seinem Statement, dass die UEK seit jeher wiederholt erhobene Eigentumsansprüche des polnischen Staates auf Sakralkunst evangelischer Gemeinden aus den früheren, heute zu Polen gehörenden, Kirchenprovinzen stets abgelehnt habe. Die anvisierte Schenkung erfolge aus voller Freiheit – dies werde auch durch den zu unterzeichnenden Schenkungsvertrag nochmals festgeschrieben.

Der Autor dieses Beitrags selbst würdigte als Vertreter der Westpreußischen Gesellschaft die beabsichtigte Rückkehr der Paramente als Beitrag sowohl der deutsch-polnischen Verständigung im obigen Sinne als auch als einen solchen der Ökumene. Der Gesichtspunkt, dass die UEK ihr rechtmäßiges Eigentum aus freiem Willen schenke, sei dabei insofern bedeutsam, als diese Klarstellung davor bewahre, die Schenkung mit gegenwärtigen Diskurse um die Restitution von Raubkunst zu vermischen.

Zu hoffen ist, dass die Einbindung der Vertriebenen und ihrer Nachfahren auf dem weiteren Weg hin zur Rückkehr der Paramente fortgesetzt wird. Eine solche Einbindung ist theologisch gut begründet: zum einen als Ausdruck der seelsorgerlichen Verantwortung gegenüber den betroffenen Mitgliedern der UEK-Gliedkirchen, zum anderen vom Selbstverständnis einer Kirche her, die sich als zivilgesellschaftlicher Akteur im Austausch mit anderen Kräften der Zivilgesellschaft versteht. Sollte dem Rechnung getragen werden, besteht Aussicht, dass die Rückkehr der Paramente tatsächlich zu Verständigung und Versöhnung beiträgt.

Tilman Asmus Fischer ist Vorstandsbeauftragter der Westpreußischen Gesellschaft – Landsmannschaft Westpreußen e.V. Der evangelische Theologe ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Humboldt-Universität zu Berlin tätig.

Unter ähnlichem Titel erschienen in: Die Kirche – Evangelische Wochenzeitung 2/2024. Eine Kurzfassung erschien in: Evangelisch Zeitung (Schleswig Holstein) 2/2024.

„Gewalt sei ferne den Dingen!“

Der Westpreußen-Kongress 2023 fragte nach der historischen und aktuellen Bedeutung des Johann Amos Comenius

In gewisser Weise ‚aus der Zeit gefallen‘ war der diesjährige Westpreußen-Kongress mit seinem Thema „Johann Amos Comenius im Land an der unteren Weichsel: Interkulturelle Spuren eines universellen Gelehrten, Theologen und Pädagogen“. Ursprünglich geplant für 2020, dem 350. Todesjahr von Comenius, vereitelte die Corona-Pandemie die Durchführung der Konferenz. Angesichts der Bedeutung, die einem der großen mitteleuropäischen Ireniker gerade in Zeiten des Krieges in Europa zukommt, hielt die Westpreußische Gesellschaft (WPG) jedoch an dem Vorhaben fest. Und so konnte die Schriftführerin der WPG, Heidrun Ratza-Potrykus, am 22. September jeweils 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Deutschland und aus Polen in Warendorf begrüßen und die dreitägige, durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat geförderte Tagung eröffnen.

Auf den ersten, freilich arg oberflächlichen Blick mag der im Titel der Tagung hervorgehobene lokale Bezug zum „Land an der unteren Weichsel“ verwundern. Die gleichwohl hohe Relevanz dieser weit gereisten, zentralen Gestalt der europäischen Geistesgeschichte für diesen Kulturraum strich der Tagungsleiter und WPG-Vorstandsvorsitzende Professor Dr. Erik Fischer in seinen einführenden Worten heraus. Nicht nur, dass der 1592 im mährischen Niwnitz geborenen Comenius von 1642 bis 1648 im seinerzeit schwedisch besetzten Elbing lebte und intensiv am dortigen Geistesleben Anteil nahm; sein Wirken im Königlichen Preußen war auch mit der interkulturellen und interkonfessionellen Beziehungs- und Konfliktgeschichte der Region eng verbunden. Insbesondere unter verständigungspolitischen Gesichtspunkten erscheint es, so Fischer, darüber hinaus fruchtbringend den Wirkungen von Comenius im deutschen, polnischen wie gesamteuropäischen Diskurs nachzuspüren und diese bis in die Gegenwart hinein zu verfolgen.

Einen praktischen und lebensnahen Einstieg in die Kongressthematik bot der Freitagabend mit seinem thematischen Schwerpunkt „Der Comenius-Garten in Berlin – ein Raum zum Leben, Forschen und zur wissenschaftshistorischen Rekonstruktion eines Welt- und Menschenbilds“. Im Zentrum stand die Anfang der 1990er Jahre am Böhmischen Dorf in Neukölln entstandene Parkanlage, die ausgehend von Comenius Werk „Pampaedia“ (Allerziehung) als eine dem menschlichen Lebensweg entsprechende Aufeinanderfolge von „Schulen“ gestaltet ist. Den Garten und die dort im Geiste von Comenius geleistete Bildungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen porträtierte zunächst die RBB-Dokumentation „Das Seelenparadies von Neukölln“ von Heiderose Häsler und Felix Krüger. Anschließend vertiefte die Leiterin des Gartens, die Literaturwissenschaftlerin und Wissenschaftshistorikerin Dr. Neele Illner M. A., in einem Gespräch mit dem Berichterstatter sowie den Tagungsteilnehmerinnen und Tagungsteilnehmern die Einblicke in die Konzeption des Gartens. Dabei schilderte sie anschaulich die Verschränkung von Wissenschaft und Pädagogik, bei der Kinder ganz im Sinne des comenianischen Denkens als Entdecker von Natur ernst genommen werden. Gerade an solch einem universalen Weltzugang wurden die hohen ökumenischen und interreligiösen Potenziale sichtbar, die sich im kulturell pluralen Umfeld des Gartens auf besondere Weise bewähren.

Die ersten drei Vorträge des zweiten Kongresstages boten eine historische Annäherung an Comenius, die sich von einer Makro- zu einer Mikroperspektive hin bewegte. So beleuchtete Professor Dr. Karin Friedrich, Historikerin an der schottischen Universität Aberdeen und Trägerin des Westpreußischen Kulturpreises 2023, zunächst anhand der „Konfessionelle[n] Wissensnetzwerke im frühneuzeitlichen Polen-Litauen“ wesentliche Momente der Religions-, Politik- und Geistesgeschichte des Königlichen Preußen im Zeitalter der Konfessionalisierung. In genau diesen Kontext stellte der Berliner Altphilologe und Lateindidaktiker Professor Dr. Andreas Fritsch sodann seinen Vortrag über „Johann Amos Comenius – Sein Lebenswerk im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges und seine nachhaltige Wirkung“, vor dessen Hintergrund der Theologe Pfr. i. R. Dr. Manfred Richter (Berlin) sich wiederum auf „Comenius Elbinger Jahre und das Colloquium Charitativum“ konzentrierte.

Friedrich führte ihre Zuhörer in das Geistesleben der polnisch-litauischen Adelsrepublik ein, die bis in die Zeit des dortigen Wirkens von Johann Amos Comenius zwar nicht frei von interkonfessionellen Konflikten war, jedoch von seiner politischen wie rechtlichen Konstitution her durch grundlegende Prinzipien des Glaubensfreiheit geprägt wurde. Die Referentin warnte in ihrem Vortrag nachdrücklich davor, „Modelle der Konfessionalisierung von oben, wie sie oft in der deutschen Reformationsgeschichte angewandt wurden“, auf die Lage in Polen-Litauen zu übertragen, obschon es „Versuche von adligen oder städtischen Machteliten“ gegeben habe, „von oben herab Religionspolitik zu betreiben“. Vielmehr warb sie für das historiographische „Bild einer multi- und interkonfessionalen Gesellschaft, in der Gestalten wie Comenius das Geistesleben bereichern konnten, bis die Krise des 17. Jahrhunderts – der Dreißigjährige Krieg und dann der zweite Nordische Krieg – diese intellektuellen und konfessionellen Freiräume wieder einengte oder gar zerstörte.“

Welche Bedeutung Comenius Werk unter den historischen Bedingungen des Dreißigjährigen Krieges gewann und in späteren Zeiten weiterhin entfaltete, zeichnete Fritsch anhand wichtiger Stationen der Lebens- und Wirkungsgeschichte nach. Eine paradigmatische Rolle kam dabei dem in unterschiedlichen Fassungen über die Jahrzehnte hinweg verwendeten Emblem zu, das Comenius als letzter Bischof der alten Böhmischen Brüder hat entwerfen lassen. Es versinnbildlicht seinen zentralen Wahlspruch: „Omnia sponte fluant absit violentia rebus“ – „Alles fließe von selbst; Gewalt sei ferne den Dingen!“ Von hier aus zog der Referent die Verbindungslinien zu den einschlägigen großen Werken des Pädagogen und Theologen: der „Didactica Magna“ (Große Didaktik) sowie den Schriften „Orbis sensualium pictus“ (Die sichtbare Welt) und „Unum necessarium“ (Das einzig Notwendige). Dabei bot er zugleich immer wieder Ausblicke auf die Comenius-Rezeption der Zeitgenossen und nachfolgender Generationen.

Nach einleitenden Worten zur religiösen Situation in Comenius Wirkungsumfeld stellte Richter in seinem Vortrag zunächst die Vorgeschichte des Aufenthalts im Königlichen Preußen dar: eine durch hohe Mobilität geprägte Lebensphase, die Comenius vom polnischen Exil der Brüder in Lissa bis nach London führte. Vor dem Hintergrund der religionspolitischen Situation in Polen-Litauen sowie des Plans des Königs, ein vermittelndes Religionsgespräch aller Konfliktparteien in Thorn durchzuführen – das „Colloquium Charitativum“ von 1645 –, ging der Referent näher auf Comenius‘ Rolle bei den Vorbereitungen auf dieses wichtige Ereignis ein. Dabei gab Richter einen Überblick über die zu diesem Anlass verfassten Schriften, u. a. „Von der Versöhnung der ‚Dissidenten‘ in den Glaubensfragen der Christen“. Gerade an der Unversöhnlichkeit der konfligierenden konfessionellen Lager scheiterte jedoch schließlich das Konzil. Was dagegen blieb und nachhaltige Wirkung entfaltete, waren die ebenfalls in diese Jahre fallenden pädagogischen Arbeiten von Comenius und insbesondere sein Sprachlehrwerk „Novissima Linguarum Methodus“, auf dessen Bedeutung Richter abschließend verwies.

Im Anschluss an die geistes-, lebens- und werkgeschichtlichen Ausführungen eröffnete ein von Fritsch geleiteter Workshop den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Gelegenheit, eigene „Erfahrungen mit der Lektüre von Comenius-Texten“ zu sammeln. Im Zentrum standen Auszüge aus der in den 1620er und 1630er Jahren entstandenen und 1657 schließlich gedruckten „Didactica Magna“. Durch die Lektüre und Diskussion der Texte wurde die Didaktik von Comenius in ihrem ganzheitlichen – mithin gesellschaftsreformerischen – Anspruch deutlich: So wollte er, wie er in der Einleitung programmatisch erklärt, „die Schulen ordnen und zur Blüte bringen, auf dass sie zu wahren und lebendigen Menschenwerkstätten werden, zu Pflanzschulen der Kirchen, Staaten und Hauswesen“. Darüber hinaus wurde der comenianische Ansatz auf seine humanistischen und theologischen Hintergrundannahmen hin durchleuchtet. Auf diese Weise traten die Konturen einer gleichsam ‚optimistischen Anthropologie‘ hervor, die sich in einer Abschwächung der lutherischen Erbsündenlehre ausdrückte. So schreibt Comenius im fünften Kapitel: „Niemand möge uns also, wenn die Heilmittel der Verderbnis zur Beratung stehen, mit dem Einwurf der Verderbnis kommen, weil Gott dies ja durch seinen Geist mit Hilfe der verordneten Mittel hinwegräumen will.“

An die Arbeitsgruppe schlossen sich am Samstagabend und Sonntagmorgen wiederum drei thematisch miteinander verbundene Vorträge an, diesmal gruppiert um Fragestellungen der Comenius-Rezeption: Dr. Hartmut Rudolph, Theologe und früherer Leiter der Potsdamer Leibniz-Editionsstelle der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, erläuterte anhand von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) und Daniel Ernst Jablonski (1660-1741) die „Wirkungsgeschichte von Johann Amos Comenius“ im „Diskurs der Frühaufklärung“. Professor Dr. Erik Fischer näherte sich Comenius als einer „europäische[n] Leitfigur“ an, indem er die Geschichte und das Konzept der niederländischen „Stichting Comenius Museum“ im niederländischen Naarden, dem Ort der letzten Ruhestätte des Theologen, betrachtete. Einblicke in die Comenius-Rezeption im mitteleuropäischen Raum gewährte wiederum (digital zugeschaltet) Dr. Barbara Dobrowolska, Pädagogin an der der Fakultät für Sozialwissenschaften der Pädagogischen Hochschule in Siedlce, mit ihrem Vortrag: „Jan Amos Komeński in der zeitgenössischen polnischen Pädagogik – Stand der Forschung und Reflexionen“.

Rudolph nahm zunächst Comenius und Leibniz als zwei „Repräsentanten der europäischen Frühaufklärung“ in den Blick. Dabei zeigte er neben Übereinstimmungen auch „konzeptionelle Unterschiede im Denken und Wirken dieser beiden herausragenden Gestalten“ auf. Von diesem spannungsvollen Verhältnis ausgehend verfolgte er eine weitere, prosopographische Verbindungslinie über den Enkel von Comenius, den in Nassenhuben bei Danzig geborenen Berliner Hofprediger und Bischof der Brüder-Unität Daniel Ernst Jablonski. Der Referent würdigte ausführlich dessen Zusammenwirken mit Leibniz, „vor allem bei dem Bemühen, die getrennten Kirchen der Reformation, Calvinisten und Lutheraner, einander anzunähern und zu versöhnen“. Zwar ließen sich, so Rudolph, „in Jablonskis Wissenschaftsverständnis doch auch Hinweise auf eine gewisse Distanz gegenüber einer allzu planen frühaufklärerischen Perfektibilität finden“ – allerdings sei festzustellen, dass „sich beide jedoch in ihrem trotz mancher Misserfolge unbeirrten aktiven Wirken für die Einheit der Kirchen“ nicht unterschieden hätten.

Inwiefern Comenius wiederum bis in die Gegenwart hinein den Gedanken einer geistigen Einheit Europas zu verkörpern vermag, verdeutlichte der Vortrag von Fischer. Er zeichnete nach, wie seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sich aus dem tschechischen Volk heraus das Ansinnen entwickelt hat, einem der größten Söhne ihres Landes ein würdiges Andenken zu schaffen, und wie diese Bestrebungen schließlich zur Entstehung des Erinnerungsortes in Naarden führten. Hier war Comenius nach seinem Tod – wahrscheinlich auf Betreiben seiner Mäzene, der Familie de Geer – beigesetzt worden: Die Kapelle, in der sich das erst 1929 identifizierte Grab befindet, war bereits von 1933 bis 1937 in ein von tschechischen Künstlern gestaltetes Mausoleum umgewandelt worden. Seit 1992 befindet sich im Nachbargebäude zudem ein sehenswertes und klug konzipiertes Museum, das seine Besucher auf sinnfällige Weise über Leben und Werk des mährischen Denkers informiert.

Die fortwährende Präsenz von Comenius Schriften in der polnischen Pädagogik und insbesondere in der bildungsgeschichtlichen Forschung demonstrierte Dobrowolska anhand der jüngeren sowie aktuellen Fachliteratur. Einen besonderen Schwerpunkt legte sie dabei auf die Arbeiten der Comenius-Spezialistin Barbara Sitarska. Indem sie ihren Vortrag durch den Hinweis auf einen weiteren, von Sitarska in Niewęgłosz bei Radzyń Podlaski gegründeten Comenius-Garten abrundete, schloss sich zugleich der Bogen zum Beginn des Kongresses, der vom Neuköllner Projekt seinen Ausgangspunkt genommen hatte.

Dabei war der Schlussvortrag von Pfr. i.R. Dr. Justus Werdin (Frankfurt/Oder) gleichfalls von comenianischem Geist durchwebt, kreiste er doch um eines der zentralen Lebensthemen des großen Irenikers: die Einheit der Kirche. Der langjährige Referent des Berliner Missionswerks für grenzüberschreitende Ökumene und für Osteuropa hatte seine Ausführungen unter den Titel „Bewegungen und Erfahrungen: Ansätze zu grenzüberschreitender Ökumene“ gestellt. Ausgangspunkt war die interkonfessionelle, zwischen Deutschland und Polen eröffnete Gesprächsinitiative: die „ökumenischen Konsultationen der Bischöfe an Oder und Neiße“. Die hier in Gang gesetzten Entwicklungen in der innerprotestantischen Ökumene – konkret zwischen der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen – beleuchtete er anhand der Gemeindepartnerschaft zwischen dem Berliner Dom und der Kirche St. Trinitatis in Warschau. Abschließend erörterte Werden die angestrebte Rückkehr des mittelalterlichen Paramentenschatzes an die Danziger Marienkirche – einen Prozess, den der Referent selbst als Beiratsmitglied begleitet.

Die von Werdin vollzogene Perspektivöffnung leitete dann in die Abschlussdiskussion mit den Referentinnen und Referenten über. Dabei wurde ein doppelter Grundkonsens deutlich: Einerseits war man sich einig, dass Comenius auch heute noch wichtige Impulse für die Verständigung sowohl zwischen den Konfessionen als auch zwischen den Völkern Europas zu geben vermag. Andererseits mussten die Anwesenden konstatieren, dass sich die unterschiedlichen geisteswissenschaftlichen Disziplinen gegenwärtig eher zurückhaltend mit Comenius befassen. Hier wäre, so die gemeinsame Sichtweise, eine stärkere Popularisierung seiner Lebens- und Wirkungsgeschichte wünschenswert, um das comenianische Denken in Kirche, Theologie und Zivilgesellschaft fruchtbar zu machen. Einen Beitrag hierzu mag der Kongress bereits erbracht haben, einen weiteren – und zudem nachhaltigen – wird die Westpreußische Gesellschaft leisten, die beabsichtigt, die Erträge des Kongresses durch das von ihr herausgegebene Westpreußen-Jahrbuch in naher Zukunft einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Tilman Asmus Fischer

Erschienen in: Der Westpreuße – Begegnungen mit einer europäischen Kulturregion 4/2023.

Im Windschatten der Danziger Paramente

Anmerkungen zur Übergabe west- und ostpreußischer Kirchenglocken an ihre Heimatgemeinden durch die Diözese Rottenburg-Stuttgart

Im Windschatten der Auseinandersetzung um die beabsichtigte Übertragung des Danziger Paramentenschatzes durch die Union Evangelischer Kirchen an die Danziger Marienkirchengemeinde, kam es zu einem vergleichbaren Vorgang seitens der katholischen Kirche – konkret des Bistums Rottenburg-Stuttgart. Ende Juni übergab Bischof Dr. Gebhard Fürst in Begleitung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann drei Kirchenglocken an ihre west- und ostpreußischen Ursprungsgemeinden: in Dietrichsdorf (Kreis Stuhm), Frauenburg (Kreis Braunsberg) und Siegfriedswalde (Kreis Heilsberg). Diese waren auf Anordnung des nationalsozialistischen Regimes während des Zweiten Weltkriegs der Rüstungsindustrie zugeführt worden. Letztlich nicht eingeschmolzen, wurden sie – so wie ca. 1.300 andere Glocken – aus den deutschen Ostgebieten an westdeutsche Gemeinden verliehen.

Dass dieser Vorgang – wenn auch nicht in der Intensität wie im Fall der Paramente – auf Kritik aus den Reihen der deutschen Heimatvertriebenen und ihrer Nachfahren gestoßen ist, mag insbesondere an der Kommunikation seitens der Diözese liegen. Zwar werden in dem entsprechenden Bericht, den das Bischöfliches Ordinariat am 25. Juni online veröffentliche, die historischen Zusammenhänge präzise erläutert – insbesondere, dass es sich um Glocken „aus den ehemals deutschen Ostgebieten“ handelt. Dies wird jedoch – zumindest für den oberflächlichen Leser – dadurch verstellt, dass der Untertitel erklärt, Bischof und Ministerpräsident hätten die Glocken „zurück nach Polen“ gebracht. Mit der Rückkehr in ihre Heimatkirchen kommen die Glocken nun zwar selbstredend in das heutige Polen. Nach Polen kommen die Glocken jedoch nicht „zurück“, sondern erstmals. In einem Bericht vom Folgetag war dann dezidiert von „Glockenrückgaben“ die Rede. Im Falle der Paramente hatte die UEK demgegenüber explizit festgehalten, dass „nicht von einer Rückgabe, Rückführung oder Restitution die Rede, sondern von ihrer Rückkehr oder auch Heimkehr zur Marienkirche Danzig“.

Dass die Übergabe der Glocken dadurch motiviert ist, einen Beitrag zur Versöhnung zwischen Deutschen und Polen zu leisten, wird aus den entsprechenden Veröffentlichungen der Diözese deutlich. (Und hierzu gehörte für Bischof Fürst dann auch ein Gedenken an die deutschen Vertreibungsopfer am für sie errichteten Gedenkstein in Frauenburg.) Umso wichtiger wäre es, in diesen Zusammenhängen ebensolche Formulierungen zu vermeiden, die einen Akt der Versöhnung in Wiedergutmachungs- und Entschädigungsdiskurse einzulesen erlauben. Gelegenheit dazu, hier für mehr Klarheit zu sorgen, wird das Bistum in den kommenden Jahren haben, in denen es beabsichtigt, im Rahmen des Projekts „Friedensglocken für Europa“ „weitere Glocken in ihre Heimatgemeinden im heutigen Polen und Tschechien“ zu übergeben.

Tilman Asmus Fischer

Weitere Informationen zum „Friedensglocken“-Projekt finden sich hier: https://www.drs.de/friedensglocken.html

Erschienen in: Der Westpreuße – Unser Danzig. Landsmannschaftliche Nachrichten 3/2023.

„Rückkehr“ – nicht: „ Rückgabe“

Zur Diskussion um den Danziger Paramentenschatz

Von Tilman Asmus Fischer

Am 8 Dezember 2022 hatten die Union Evangelischer Kirchen in der EKD (UEK), das Erzbistum Danzig und die Gemeinde der Danziger Marienkirche in Hannover einen „Letter of Intent“ unterzeichnet, dessen Inhalt nach Bekanntwerden durch eine offizielle Pressemitteilung zu anhaltenden kontroversen Diskussionen geführt hat: Die im Besitz der UEK befindlichen Stücke des Danziger Paramentenschatzes sollen durch Schenkung in den Besitz der Marienkirche übergehen. Parallel zur – teils mit verbitterten Stellungnahmen geführten – öffentlichen Debatte, kam es in inzwischen zu konstruktiven Gesprächen zwischen der UEK bzw. EKD und Vertretern aus dem Bereich der Vertriebenenpolitik. – Der in diesem Zusammenhang gewonnene Kenntnisstand, der die Gesamtlage in einem deutlich veränderten, klareren Licht erscheinen lässt, soll hier dokumentiert und zudem auf die hiermit verbundenen kulturpolitischen Perspektiven hin befragt werden.

Nachdem es am 28. April 2023 in Hannover zu einem Gespräch zwischen dem Präsidenten des BdV, Dr. Dr. h.c. Bernd Fabritius, und dem Präsidenten des EKD-Kirchenamtes, Dr. Hans Ulrich Anke, über grundsätzliche Fragen der Beziehung zwischen beiden Institutionen gekommen und dabei auch die Problematik des Paramentenschatzes angesprochen worden war, wandte sich am 16. Mai Bischöfin Petra Bosse-Huber in einem Brief an den BdV – und bezog die Westpreußische Gesellschaft wie den Bund der Danziger in die Korrespondenz mit ein. In ihrem Schreiben erläutert die Vizepräsidentin des Kirchenamtes und Leiterin des Amtsbereichs der UEK das Vorhaben zum Danziger Paramentenschatz. Diese bisher umfassendste offizielle kirchliche Stellungnahme sei hier mit Erlaubnis der Verfasserin dokumentiert.

Die Union Evangelischer Kirchen in der EKD (UEK) ist als Rechtsnachfolgerin der früheren Evangelischen Kirche der Union (EKU) bzw. der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union (ApU) Eigentümerin der (vorwiegend liturgischen) Gegenstände, die aus den am Ende des Zweiten Weltkriegs untergegangenen deutschen Evangelischen Kirchengemeinden im heutigen Polen von Mitgliedern dieser Gemeinden auf ihrer Flucht nach Westen mitgenommen und auf diese Weise häufig vor Verlust und Zerstörung gerettet worden sind. Diese Gegenstände sind von der EKU erfasst und in regulären Verfahren entweder an Evangelische Kirchengemeinden in Deutschland zu kirchlichem Gebrauch ausgeliehen worden oder werden als Dauerleihgaben der EKU/UEK in Museen in Deutschland aufbewahrt und ausgestellt. Ersuchen des polnischen Staates zur „Rückführung“ solcher Gegenstände nach Polen wurden seit Jahrzehnten (und werden grundsätzlich weiterhin) von der EKU/UEK abschlägig beschieden; dies wird zum einen mit den Eigentumsrechten begründet, die durch ein Urteil des Berliner Kammergerichts aus dem Jahr 1970 der EKU zugesprochen wurden, zum anderen mit dem Hinweis auf ausstehende zwischenstaatliche Gesamtregelungen zur Rückführung von Kulturgütern.

Allerdings wurden bereits in früheren Jahren in Einzelfällen Gegenstände – so ein Abendmahlskelch aus Jauer und einige historische Kirchenbücher aus Schweidnitz – an die betreffenden Kirchen, die heute zur Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen gehören, übergeben; dies war jeweils mit persönlichen Begegnungen der Beteiligten und mit gemeinsamen Gottesdiensten verbunden.

Auf Initiative des damaligen Bischofs der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Dr. Dr. h. c. Markus Dröge, und auf Beschluss des Präsidiums der UEK nahm die UEK im Jahr 2018 über das Erzbistum Danzig Kontakt zur Marienkirche Danzig auf, um wegen einer möglichen Rückkehr des von dort stammenden Dreifaltigkeitsaltars zu sondieren; dessen Retabel und Predella waren seit Jahrzehnten von der EKU/UEK an die Gemäldegalerie Berlin und an die St. Johannis-Kirchengemeinde Berlin Moabit ausgeliehen. Auf der Grundlage eines zwischen der UEK und der Marienkirche Danzig abgeschlossenen Schenkungsvertrages (und damit unter Anerkennung der vormaligen Eigentümerstellung der UEK) kehrte der Altar im März 2020 in seine Heimatkirche zurück. Aus Anlass einer Ökumenischen Vesper, die zum Trinitatisfest 2022 vom Erzbistum und der Marienkirche Danzig und von der UEK vor diesem Altar gemeinsam gefeiert wurde, wurde die Erarbeitung eines Letter of Intent zum „Danziger Paramentenschatz“ in Aussicht genommen. In ihm sollte – analog zum beim Dreifaltigkeitsaltar gewählten Verfahren – vereinbart werden: (1) die förmliche Schenkung der aus der Marienkirche Danzig stammenden, von Mitgliedern der dortigen Evangelischen Kirchengemeinde gegen Kriegsende bei der Flucht in den Westen geretteten und seit Jahrzehnten in Museen in Lübeck und Nürnberg aufbewahrten Stücke des „Danziger Paramentenschatzes“ von der UEK an die Marienkirche Danzig; (2) ihre Rückkehr zur Marienkirche Danzig zu einem Zeitpunkt, zu dem sie dort museologisch adäquat aufbewahrt und ausgestellt werden können. Ein solcher „Letter of Intent“ wurde am 8. Dezember 2022 in Hannover vom UEK-Vorsitzenden, Kirchenpräsident Dr. Dr. h. c. Volker Jung, vom Danziger Erzbischof Dr. Tadeusz Wojda und vom Pfarrer der Marienkirche Danzig, Prälat lreneusz Bradtke, unterzeichnet. Die Absichtserklärung sieht außer der Eigentumsübertragung durch Schenkung und der Rückkehr der Paramente nach Danzig vor, dass, wie es schon gegenwärtig der Fall ist, auch künftig in Lübeck und Nürnberg einzelne Paramente – dann als Leihgaben der Marienkirche Danzig – ausgestellt sein werden und dass ein gemeinsamer Fachbeirat die Umsetzung des Vorhabens begleitet.

Die auch künftige, dauerhafte Präsenz von Danziger Paramenten in Lübeck und Nürnberg soll gewährleisten, dass die dankbare Erinnerung an die Rettung des Danziger Paramentenschatzes vor Kriegsverlust und -zerstörung durch die aus Danzig geflüchteten und vertriebenen Evangelischen weiterhin in Deutschland lebendig bleibt und gepflegt wird. Diese Erinnerung gehört aber – und das erscheint uns genauso wichtig – zu der Narration, die mit der Rückkehr der Paramente an ihren Ursprungsort, die Marienkirche Danzig, auch dort erzählt werden soll und erzählt werden wird: die Narration von einer gemeinsamen deutschen und polnischen, evangelischen und katholischen Geschichte an der Marienkirche Danzig, die zur Entwicklung einer gemeinsamen europäischen und ökumenischen Zukunftsperspektive herausfordert. Für diese heute mehr als in früheren Jahrzehnten mögliche Sicht, dass auf der Grundlage geschichtlicher Verbundenheit gemeinsame Verantwortung erwächst, muss, das ist der UEK sehr bewusst, auf beiden Seiten von Oder und Neiße geworben werden. Ich werde mich bei meinem Besuch in Danzig Anfang Juni, der wieder mit einem ökumenischen Gottesdienst verbunden sein wird, bei meinen dortigen Gesprächspartnern persönlich dafür einsetzen. Bitte betrachten Sie auch dieses Schreiben als Ausdruck meines Wunsches – und des Anliegens der UEK –, auch bei denen, für die die deutsch-polnische und die evangelisch-katholische Beziehung durch schmerzliche persönliche und familiäre Erinnerungen belastet ist, um Zustimmung zu dem Vorhaben, das ich Ihnen geschildert habe, zu werben.

Einige Tage später, am 25. Mai, nahm die UEK zudem in einer öffentlichen Erklärung zu Vorwürfen Stellung, die das Kirchenamt seit Publik-Werden des „Letter of intent“ erreichten.[1] Dieses Dokument ist auch deshalb bedeutsam, weil es – zugespitzter als der Brief von Bischöfin Bosse-Huber – Befürchtungen zu zerstreuen vermag, welche die Pressemitteilung im Dezember des Vorjahres hatte wecken können.[2]

So wird zum einen der politische Kontext des Vorhabens erhellt und betont, dass die „Initiative zu dem Projekt […] nicht von polnischer Seite, sondern allein von der UEK“ ausgegangen sei und bei ihrer Umsetzung – wie bereits im Falle des Dreifaltigkeitsaltars – „für die UEK nur die Kirche, namentlich die Marienkirche und das Erzbistum Danzig, als Gegenüber auf polnischer Seite in Betracht“ komme. Dabei zieht sich die UEK nicht darauf zurück, dass es sich bei diesen Vorgängen um eine rein „kirchliche“ Angelegenheit ohne politische Implikationen handelt, sondern zeigt sich gerade dafür sensibel: So sei „vor der Rückkehr des Dreifaltigkeitsaltars in die Marienkirche Danzig die Zustimmung zuständiger Stellen der deutschen Bundesregierung eingeholt worden“ und es hätten „an den aus diesem Anlass stattfindenden Feierlichkeiten auch Vertreterinnen und Vertreter der deutschen und der polnischen Politik teilgenommen. Zudem wurde im ‚Letter of Intent‘ zum Danziger Paramentenschatz festgelegt, dass zu den Aufgaben des gemeinsamen Fachbeirats auch die Klärung politischer Fragen gehört, die sich bei diesem Vorhaben stellen.“ Dabei wäre es – so ließe sich anschließen – wünschenswert, dass die Klärung politischer Fragen über den Kreis eines Beirates hinaus auch in die deutschen und polnischen Öffentlichkeiten hineinwirken möge; denn zwischen beiden Staaten und Zivilgesellschaften sind bei allen Fortschritten der letzten Jahrzehnte weiterhin gewichtige Fragen offen. Sie betreffen sowohl die in beiden Ländern betriebenen Erinnerungspolitiken als auch die von Bosse-Huber benannte „ausstehende zwischenstaatliche Gesamtregelungen zur Rückführung von Kulturgütern“. Vielleicht – so eine leise Hoffnung – können die Bemühungen um die Zukunft des Paramentenschatzes den Ausgangspunkt für eine grundsätzliche Diskussion um Perspektiven des deutsch-polnischen Umgangs mit dem gemeinsamen Kulturerbe sein. Dabei – und das muss deutlich gesagt werden – besteht Klärungsbedarf hinsichtlich der (bewusst in den Plural gesetzten) Erinnerungspolitiken – nicht nur zwischen Deutschland und Polen, sondern auch innerhalb Deutschlands. Denn mit den Regelungen zum Verbleib „nur“ einiger Stücke der Paramente in der Bundesrepublik stellt sich – ganz unabhängig von Fragen der Besitzstandswahrung – die Frage, welche Bedeutung und Aufmerksamkeit dem ostdeutschen Kulturerbe im bundesrepublikanischen „Kulturbetrieb“ zukommt. Die UEK mit ihrer jetzigen Entscheidung für hier ganz offensichtlich bestehende gesamtgesellschaftliche Defizite in Geiselhaft nehmen zu wollen, geht am Ziel vorbei. Wenn wir jedoch über den Fall der Paramente darüber ins Gespräch kommen können, welchen Platz ostdeutsches Kulturgut in deutschen Museen und Kultureinrichtungen hat und haben soll, wäre das nur zu begrüßen.

Zum anderen wendet sich die EKU gegen Spekulationen, „als seien die Paramente unrechtmäßig nach Lübeck bzw. Nürnberg und ins Eigentum der UEK, der Rechtsnachfolgerin der untergegangenen evangelischen Marienkirchengemeinde Danzig, gelangt oder als würden sie auf eine Forderung hin zurückerstattet“. Dementsprechend sei „nicht von einer Rückgabe, Rückführung oder Restitution die Rede, sondern von ihrer Rückkehr oder auch Heimkehr zur Marienkirche Danzig“. Die UEK stelle „den Gedanken in den Mittelpunkt, dass die Paramente als historische Objekte und als kulturelles Erbe untrennbar mit der Marienkirche Danzig verbunden sind und dorthin zurückkommen“. Dass dies seitens der UEK so deutlich benannt wird, ist in doppelter Hinsicht zu begrüßen. Erstens steuert eine solche Klarstellung der Gefahr, das Vorhaben in den derzeit in Deutschland populären postkolonialen Restitutionsdiskurs einzulesen – und damit die Geschichte der vertriebenen Danziger Evangelischen in einer Weise zu beschädigen, die nicht nur erinnerungspolitisch fatal, sondern vor allem auch unter pastoralen Gesichtspunkten unverantwortlich wäre. Zweitens tragen die klaren Worte der UEK dazu bei, das Vorhaben auch davor abzusichern, wiederum in Polen von politischen Akteuren (jenseits der unmittelbaren Kooperationspartner) in die dort geführten Restitutionsdiskurse eingelesen zu werden, dessen Forderungen fortwährend an Deutschland adressiert werden. Das Problembewusstsein hierfür scheint bei der UEK in jedem Fall vorhanden zu sein. So schließt die Erklärung mit den Worten: „Den Partnern ist bewusst, dass eine solche neue Erzählung und die sie begleitenden Zeichen der Versöhnung sowohl in Deutschland als auch in Polen ernsten Vorbehalten begegnen, die aus den geschichtlichen Belastungen zwischen beiden Ländern und Konfessionen herrühren. Sie fühlen sich verpflichtet, diesen Vorbehalten verständnisvoll zu begegnen und gleichwohl für die gemeinsam gewonnene Einsicht zu werben.“ Eine aktive Einbeziehung der vertriebenen Danziger (und dabei im Sinne der Ökumene nicht nur der Protestanten) bzw. ihrer Nachfahren und deren Organisationen und Institutionen – wie der Westpreußischen Gesellschaft oder der Kulturstiftung Westpreußen – kann zum Gewinnen von Verständnis gewiss nur beitragen. In jedem Fall ist dem gesamten Fachbeirat, der sich am 2. und 3. Juni in Danzig konstituiert hat, zu wünschen, dass es ihm gelingt, an der von den Initiatoren angestrebte „Narration“ festzuhalten, sie zu stärken und gegen politische Angriffe wie Instrumentalisierungsversuche zu verteidigen, die es gewiss diesseits wie jenseits der Oder geben wird.

Erschienen in: Der Westpreuße – Begegnungen mit einer europäischen Kulturregion 2/2023.


[1] Erklärung zur beabsichtigten Rückkehr des Danziger Paramentenschatzes zur Marienkirche Danzig: https://www.uek-online.de/3-5-artikel-content-1054-erklaerung-danziger-paramentenschaftz-1054.php

[2] „Danziger Paramentenschatz“ kehrt zurück, EKD, 9. Dezember 2022: https://www.ekd.de/ruckkehr-danziger-paramentenschatz-76569.htm

Sich Kirche wieder angewöhnen

In seinem neuen Buch diskutiert Michael Meyer-Blanck theologischen Grundfragen der Kirche. Der emeritierte evangelische Professor für Praktische Theologie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn spricht im Interview mit Tilman A. Fischer über Herausforderungen für die Kirche angesichts der Corona-Pandemie und des „Synodalen Weges“.

Herr Meyer-Blanck, haben die Erfahrungen der zurückliegenden drei Jahre Corona-Pandemie Ihr Nachdenken über die Kirche verändert?

Es ist nochmal sehr deutlich geworden, was bei mir auch eine Leitthese ist: Kirche – insbesondere evangelische Kirche – ist Kommunikation. Sie ist auch Institution und Organisation, vor allem aber Inszenierung und Kommunikation. Kommunikation gibt es zum einen unter Anwesenden – Niklas Luhmann nennt das dann Interaktion; zum anderen funktioniert sie auch medial, heute vor allem elektronisch. Der Glaube ist nichts, was man nur durch Anschauung oder gedankliches Mitvollziehen für sich zum Klingen bringen kann. Sondern man ist immer angewiesen auf andere, seien die nun an Bildschirmen oder mit einem physisch zusammen. Vor allem im Lockdown ist deutlich geworden, wie sehr man sich sehnt nach Interaktion, also nach Kommunikation unter Anwesenden.

Wie haben diese Erfahrungen die Kirche verändert?

Es ist ein Paradoxon: Man sehnt sich nach Interaktion und gewöhnt sie sich gleichzeitig ab. Vielfach sind die Gottesdienstbesucherzahlen nun im dritten Jahr nach dem Ausbruch der Pandemie – nachdem Interaktion wieder möglich ist – nicht wieder auf dem Niveau wie vorher. Das ist ein ähnliches Schicksal, wie es die Theater und Opern erlebt haben, die einen teils massiven Rückgang an Besuchern zu verzeichnen haben. Ich hoffe, dass wir wieder auf den alten Stand kommen oder sogar auf einen besseren: Jetzt können wir endlich wieder die Liturgie feiern, uns in den Kreisen und Chören treffen. Das alles kommt hoffentlich wieder und wird noch mehr genossen als vorher. Viele Menschen haben sich die Kirche abgewöhnt – und sie gewöhnen sie sich hoffentlich wieder an.

Was können Gemeinden tun, um es Menschen zu erleichtern, sich Kirche wieder anzugewöhnen?

Einladende Kirche sein, jedem das Gefühl geben: Er und sie ist wichtig, willkommen, wird als Person wahrgenommen und wertgeschätzt. Das ist das große Geheimnis gelingender Gemeindearbeit: „Du bist hier willkommen, Du bist wichtig, durch Dich hat die Gemeinde einen wichtigen Zuwachs an Fähigkeiten oder an Spaß und Freude!“ Dabei müssen die Leute einzeln wieder zurückgewonnen werden, wenn sie sich von der Kirche so weit entwöhnt haben, dass es kaum noch Berührungen gibt.

Die Pandemie betraf Kirchen aller Konfessionen – vor allem katholische Geschwister waren zugleich von den Auseinandersetzungen um den „Synodalen Weg“ und die mit dem Reform-Diskurs verquickten Skandale um Missbrauchsfälle betroffen. Macht und Sexualität ist auch ein Thema Ihres Buches. Wie stellt es sich aus evangelischer Perspektive dar?

Sexualisierte Gewalt ist auf jeden Fall ein Problem – nicht nur für die katholische Kirche, sondern auch für die evangelische. Es ist nichts Schlimmeres denkbar, als wenn ein Pädagoge, der Kinder und Jugendliche fördern soll, Kindern Gewalt antut und sie missbraucht. Das ist ein performativer Selbstwiderspruch. Das ist genauso schlimm in der evangelischen Kirche wie in der katholischen – auch wenn die Fallzahl vielleicht geringer ist. Umso schlimmer ist dann jeder einzelne Fall und jeder einzelne Fall muss strafrechtlich verfolgt und, was das Gedächtnis der Gemeinde angeht, offen bearbeitet werden. Fälle gibt es jedenfalls auch in der evangelischen Kirche.

Was tut in Sachen kirchlicher Aufarbeitung evangelischerseits Not?

Die EKD muss vor allem zeigen, dass sie bei diesem Thema „an Deck“ ist, dass sie wachsam ist und die Entwicklungen verfolgt, durch empirische Untersuchungen und Studien die Sache aus der Vogelperspektive begleitet, während die Gemeinden und Landeskirchen in ihren Bereichen für Aufklärung zu sorgen haben.

Lassen Sie uns zuletzt nochmal auf die Lage der katholischen Christen zurückkommen: Wie bewerten Sie die Resultate des „Synodalen Weges“ in Deutschland – und die Perspektive ihrer Umsetzung?

Mutig, ich hoffe, mutig genug, ich hoffe, so mutig, dass tatsächlich etwas passiert. Man hat einen langen Weg des Abwägens gewählt und man kann ja sagen: Demokratie ist, wenn keiner zufrieden ist. Und insofern ist das doch ein demokratisches Stück Wegs gewesen, den der Synodale Weg gegangen ist. Insbesondere das Predigen von Frauen in der Messe, die Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren und die Forderung nach Öffnung der Ämter sind Dinge, die mit der gegenwärtigen katholischen Praxis in Widerspruch stehen, aber nun keineswegs mehr völlig unmöglich sind. Insofern hoffe ich, dass das ein kleiner Stein im Mosaik „Reform der katholischen Kirche“ ist.

Zum Weiterlesen: Michael Meyer-Blank, Kirche. Reihe Theologische Bibliothek. Vandenhoeck & Rupprecht, Göttingen 2022, 345 Seiten, 39 Euro.

Erschienen in: Die Kirche – Evangelische Wochenzeitung 22/2023.

„Der Heilige Stuhl wackelt ein bisschen“

Weltgebetstag 2023: Gespräch mit dem taiwanesischen Repräsentanten in Deutschland

Taiwan steht im Zentrum des Weltgebetstags 2023, der heute begangen wird. Aus diesem Anlass hat zeitzeichen-Mitarbeiter Tilman Asmus Fischer mit Professor Jhy-Wey Shieh gesprochen. Er ist Repräsentant von Taiwan in der Bundesrepublik Deutschland.

Ende der 1980er-Jahre gelang der Republik China, so der offizielle Name, die erfolgreiche Transformation von einer Militärdiktatur in eine lebendige Demokratie. Der Volksrepublik China gilt Taiwan jedoch als abtrünnige Provinz – und weltweit erkennen nun 14 Staaten die Republik als souveränen Staat an. Christen standen als politische Akteure sowohl auf der Seite der Demokratiebewegung als auch derjenigen der mit Kriegsrecht regierenden Kuomintang. Heute genießen insbesondere buddhistische Tempel politischen Einfluss. Vor dem Hintergrund dieser Gemengelage sieht Professor Jhy-Wey Shieh, der Repräsentant Taiwans in der Bundesrepublik Deutschland, den diesjährigen Weltgebetstag als ein hoffnungsvolles Zeichen.

zeitzeichen: Exzellenz, drei Tage vor dem heutigen Weltgebetstag hat Taiwan wie jedes Jahr an den 28. Februar 1947 erinnert. Welche Ereignisse verbinden sich mit diesem Datum?

Jhy-Wey Shieh: 1945 hatte die Republik China, die damals ganz China umfasste, die Herrschaft über Taiwan übernommen und von der japanischen Kolonialherrschaft befreit. Schnell wurden jedoch die hiermit verbundenen Hoffnungen der Taiwaner auf ein Ende der kulturellen Unterdrückung enttäuscht, da die in China regierende „Nationale Volkspartei Chinas“ Kuomintang (KMT) unter Chiang Kai-shek ihrerseits Taiwans Sprache und kulturelle Identität zugunsten des Mandarin und einer gesamtchinesischen Identität zu unterdrücken begann. Proteste der Taiwaner und gewaltsame Reaktionen der chinesischen Regierung führten ab dem 28. Februar 1947 zu einem Massaker, dem 10.000 bis 30.000 Zivilsten zum Opfer fielen. Zugleich war der 28. Februar 1947 ein Vorbote der Zeit von 1949 bis 1987, in der die KMT – nach der Vertreibung vom Festland durch die Kommunisten unter Mao – Taiwan mit dem Instrument des Kriegsrechts als Ein-Parteien-Staat regierte.

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Jenseits der Stereotype

Das „Berliner Religionsgespräch“ widmete sich der Orthodoxie in Zeiten des Krieges

Von Tilman Asmus Fischer

Bereits seit Jahren lädt die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften gemeinsam mit dem Verlag der Weltreligionen, Deutschlandradio Kultur und der Udo Keller Stiftung Forum Humanum zu den „Berliner Religionsgesprächen“ ein. Dabei sei jedoch noch nie ein aktuelleres Thema formuliert worden wie für die Diskussion am 4. Oktober, führte Akademiedirektor Christoph Markschies in seiner Begrüßung aus: „Orthodoxien im Krieg – Heiliges Russland und christlicher Westen“.

Der evangelische Theologe markierte es als dringende Notwendigkeit, den westlichen Blick auf ‚die Orthodoxie‘ zu differenzieren. Am Beispiel des 1913 von Adolf von Harnack gehaltenen Vortrags „Der Geist der morgenländischen Kirche im Unterschied von der abendländischen“ verdeutlichte der habilitierter Kirchenhistoriker die Traditionen der Stereotypisierung der Orthodoxie als „das schlechterdings Andere der abendländischen Kirche“: Dass von Harnack die östliche Christenheit als „versteinerte Kirche“ der westlichen als Kirche der Aufklärung gegenüberstellte, erklärte Markschies freilich weniger mit mangelnder Kenntnis als vielmehr aus dem „Krieg“ des gebürtigen Deutschbalten gegen die Orthodoxie in Abwehr einer Russifizierung des Baltikums.

Dass Markschies es nicht bei den einleitenden Worten beließ, sondern zudem – für den erkrankten RBB-Redakteur Harald Asel – kurzfristig die Moderation übernahm, gereichte der Veranstaltung zum Vorteil, insoweit der Hausherr seine eigene fachliche Expertise in das Gespräch einbringen konnte.

In diesem wandte sich Emmanuel Sfiatkos, Vikarbischof der Griechisch-Orthodoxen Metropolie in Deutschland, kritisch gegen die durch die Titelformulierung zum Ausdruck gebrachte Diagnose einer Spaltung der Orthodoxie: Die Orthodoxen verstünden sich – trotz innerer Auseinandersetzungen und des Trends zur Autokephalie – als eine orthodoxe Kirche, geeint durch Kirchenrecht, Lehre und Ritus. Der gegenwärtige Krieg sei ein solcher zwischen zwei Staaten, nicht jedoch zwischen zwei Kirchen. Da er andererseits nicht mit Kritik am Moskauer Patriarchen Kyrill zurückhielt – der die orthodoxe „Theologie durch den Wolf gedreht“ habe – blieben Sfiatkos Wortbeiträge letztlich nicht frei von einer eigentümlichen Spannung zwischen dem ekklesiologischen Postulat kirchlicher Einheit und deutlichen Anzeichen für einen gegenläufigen Zustand der sichtbaren Kirche.

Dezidiert gegen die Darstellung einer trotz Autokephalie-Bestrebungen geeinten Orthodoxie wandte sich die Theologin Regina Elsner vom Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien Berlin. Historisch betrachtet sei die Autokephalie in den seltensten Fällen konfliktfrei vergeben worden. Ein Schlüsselmoment der gegenwärtigen Auseinandersetzung in und mit der Orthodoxie sei die Grundentscheidung, was man unter „Theologie“ verstehe – bzw. ob man Sozialethik als Theologie verstehe. Denn hiermit – so folgt aus Elsners Ausführungen – entscheidet sich letztlich, ob Fragen der politischen Ethik theologische Relevanz beigemessen wird, was dann auch die Haltung von Kirchen zu politischen Entscheidungen als ein theologisches Problem erweist. Trotz jüngerer Aufbrüche sei, so Elsner, die Frage nach dem guten Leben allerdings in der orthodoxen Theologie wenig entwickelt.

Wie aber ist das gegenwärtige theologische Profil der russischen Orthodoxie zu modellieren? Als Phänomen eines bei allen Kontinuitäten dennoch in den zurückliegenden 30 Jahren wahrnehmbaren „Prozesses der Veränderung“ in der Russisch-orthodoxen Kirche (ROK) auf gemeindlicher wie akademisch-theologischer Ebene markierte die – digital zugeschaltete – Religionssoziologin Kristina Stöckl (Universität Innsbruck) die „Öffnung hin zu modernen Themen“ wie demjenigen der Menschenrechte. Kyrill vermittle allerdings den Eindruck, als habe sich in den vergangenen Jahrzehnten nichts gewandelt. Der Züricher Fachjournalist für Religion, Kirche und Gesellschaft Michael Meier charakterisierte seinerseits die vom gegenwärtigen Patriarchen vertretenen Positionen als per se kaum theologisch: Was sich als Theologie ausgebe sei „nationalistisch und ideologisch aufgeladen“ – demgegenüber blieben Aspekte der Kontingenzbewältigung außen vor.

Was bedeuten diese Voraussetzungen für den künftigen ökumenischen Dialog zwischen den westlichen und östlichen Kirchen? Durch die Bank problematisierten die Diskutanten die in den vergangenen Jahrzehnten dominante Fokussierung der evangelischen wie katholischen Kirchen auf die ROK als orthodoxen Gesprächspartner. Thomas Németh, Professor für die Theologie des christlichen Ostens an der Universität Wien sowie Priester der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche, warf – gleichfalls digital zugeschaltet – die spannende Frage auf: „Was hat die katholische Kirche und evangelischen Kirchen so an der ROK so fasziniert? Die Größe oder etwas, was einem in der eigenen Kirche fehlt?“

In dieser, aber auch in vielen weiteren Hinsichten verdeutlichte das Berliner Religionsgespräch die Notwendigkeit einer vertieften theologischen Auseinandersetzung mit der und nicht nur über die Orthodoxie. Vor dem Hintergrund der politischen Verwerfungen dieses Jahres mag dabei auch ein Gedanke der Reflexion wert sein, den Heinrich Schlier ausgehend von der Mahnung des Apostels Paulus zur „Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens“ (Eph 4,3) formulierte: „Weicht dieser Friede […], dann fällt auch die Einheit dahin. Und umgekehrt: zerbricht die Einheit, dann zerbricht auch der Friede, den die Einheit stützt. Und zwar teilt sich, wie die Geschichte lehrt, die Friedlosigkeit von dem eigentlichen Ort des Friedens, der Kirche, dem Kosmos mit, so daß allmählich auch dort kein Friede mehr geschlossen werden kann. Die zerbrochene Einheit der Kirche ist der Unfriede. Der Unfriede läßt sie und die Welt nicht mehr zur Einheit kommen.“

Erschienen am 13. Oktober 2022 in der Zeitung „Die Tagespost“ (www.die-tagespost.de).

Länderporträt Taiwan

Blickwechsel von Tilman Asmus Fischer

Zwei Topoi bestimmten die neue mediale Aufmerksamkeit, die in den vergangenen zwei Jahren der ostasiatischen Inselrepublik Taiwan zukommt: auf der einen Seite eine zumindest über lange Strecken mustergültige Bewältigung der Corona-Pandemie durch Politik und Zivilgesellschaft; auf der anderen Seite das – zuletzt anlässlich des Besuchs von Nancy Pelosi – immer lauter werdende Säbelrasseln der Kommunistischen Partei Chinas, die nach Hongkong lieber gestern als heute die demokratische Republik China, so der offizielle Name Taiwans, der Volksrepublik China einverleiben würde. Was ist dies für ein Land, dessen Gesellschaft für ihre Resilienz bewundert wird, das jedoch weltweit von lediglich 14 Regierungen – darunter leider nicht die deutsche, jedoch der Vatikan – als souveräner Staat anerkannt wird?

Diese Frage stellt sich bei einem Interesse, das über tagespolitisch relevante Schlagzeilen hinausgeht. Wer sie sich stellt, kann so manches lernen über eine Insel mit einem faszinierenden interkulturellen – und in Teilen auch interreligiösen – Erbe, über friedliche politische Transformationen sowie über eine Gesellschaft, die Liberalismus und Traditionsbewusstsein verbindet. Einblicke in dieses breite Themenspektrum eröffnet die unlängst erschienene „Gebrauchsanweisung für Taiwan“ des preisgekrönten deutschen Schriftstellers Stephan Thome. Sie liest sich gleich einer – wenn auch nicht unkritischen – Liebeserklärung an das Land, in das er als Student kam und das ihm – inzwischen mit einer Taiwanerin verheiratet – zur Heimat wurde. Ebenfalls heuer erschien sein Roman „Pflaumenregen“, der die Zeitgeschichte Taiwans literarisch verarbeitenen.

Ein starkes zeitgeschichtliches und erinnerungskulturelles Interesse prägt auch sein Länderporträt – in besonderer Weise mit Blick auf die Diktatur der Nationalen Volkspartei Chinas „Kuomintang“. Diese regierte 1949 bis 1987 unter Kriegsrecht auf Taiwan, wohin sich die Regierung der Republik China zurückzog, als Mao auf dem Festland die Volksrepublik errichtete. An diese Zeit erinnert heute die Gedenkstätte auf Lü Dao – bis 1987 Gefängnisinsel der Kuomintang, anhand derer Thome feinfühlig die Prägekraft der Unterdrückungserfahrungen für das kollektive Gedächtnis und das demokratische Selbstbewusstsein des heutigen Taiwans entfaltet.

Gleichfalls gehört es zu Thomes Handschrift, dass ihr die fachliche Expertise des studierten Sinologen, Philosophen und Religionswissenschaftlers abzuspüren ist. So tut es nicht Wunder, dass just eines der umfangreichsten Kapitel der taiwanischen Religionsgeschichte gewidmet ist. Thome arbeitet heraus, wie gerade die autochthone religiöse Tradition in der Zeit der Unterdrückung durch die japanischen Kolonialherren bis 1945 zu einem wesentlichen Identitätsmarker wurde.

Heute sind vor allem buddhistische Laienorganisationen in der Zivilgesellschaft sichtbar – immer wieder aber auch die christliche Minderheit. Deren Geschichte ist ambivalent, da der 1975 gestorbene Diktator Chiang Kai-shek selbst als Konvertit der methodistischen Kirche angehörte, die ihn stützte. Währenddessen standen Presbyterianer und Katholiken auf der Seite der unterdrückten indigenen Völker, deren Sprache und Kultur sie schützten und die ihrerseits bis heute in der großen Mehrheit Christen sind.

Stephan Thome: Gebrauchsanweisung für Taiwan, Piper, 224 Seiten, ISBN 978-3-492-27745-7; 15,00 Euro

Erschienen in: Glaube + Heimat. Mitteldeutsche Kirchenzeitung 39/2022; unter anderem Titel in: Evangelischer Kirchenbote 40/2022.

Das Querfurter Papier: Im Visier der Stasi

Am 29. April 1977 unterzeichneten systemkritische Theologen der evangelischen und katholischen Kirche in Querfurt/Sachsen-Anhalt ein Memorandum über „Frieden und Gerechtigkeit“. Der Theologe Lothar Tautz, damals als Theologiestudent Mitverfasser des Dokuments, sprach mit Tilman A. Fischer über die Entstehung und die Bedeutung des Querfurter Papiers.

Herr Tautz, wie kam es zu Ihrer Beteiligung an dem von der Stasi als „Querfurter Papier“ bezeichneten Memorandum „Frieden und Gerechtigkeit heute“?

Ich studierte Theologie an der Kirchlichen Hochschule in Naumburg. Die Themen Frieden und Menschenrechte waren für mich und eine ganze Menge anderer, vor allem Theologiestudenten, besonders wichtig – für uns persönlich ganz existenziell, aber auch mit Blick auf die politische Situation in Europa. 1975 hatte die DDR die KSZE-Schlussakte von Helsinki unterzeichnet. Ihr „Korb 3“ beinhaltete wesentliche menschen- und bürgerrechtliche Zusicherungen. Daraus folgerten wir: Dann muss das für uns auch irgendwie gelten!

Was folgte für Sie und Ihre Gleichgesinnten hieraus?

In Naumburg trafen wir uns in der Studentengemeinde, lasen die UN-Charta der Menschenrechte und arbeiteten heraus, dass viele von diesen Rechten bei uns nicht einmal ansatzweise verwirklicht waren. In diese Zeit fallen zwei Ereignisse, die uns alle schockierten: die Selbstverbrennung von Pfarrer Oskar Brüsewitz, den wir in Naumburg persönlich kannten, sowie die Ausweisung von Wolf Biermann und Teilen seines Freundeskreises. In dieser Situation haben wir uns gesagt: Jetzt versuchen wir erstmal, in Naumburg eine Gruppe zu etablieren, die sich intensiv mit den Menschenrechten befasst und das Ziel hat, dazu etwas zu formulieren. Die Charta 77 war dafür unser Vorbild.

Wie fand diese Initiative Anschluss an weitere kirchliche Kräfte, mit denen sie dem Papier seine letztliche Gestalt gaben?

Es war naheliegend, zu fragen, wer in der Kirche – gerade bei denjenigen, die bereits im Pfarramt waren – „auf unserer Seite“ ist. Denn wir wussten, dass die oberen Kirchenfunktionäre eher zurückhaltend waren, was oppositionelle Bestrebungen anbetraf. Da lernte ich Pfarrer Wolfram Nierth kennen, der damals Pfarrer in Schraplau war und mir davon berichtete, dass es in Querfurt einen ökumenischen Arbeitskreis von Pfarrerinnen und Pfarrern gebe, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, ein Papier zu Menschenrechtsfragen zusammenzustellen.

Ich staunte, welche Themen dort verhandelt wurden – im positiven Sinne alltagslastig aus der Situation der Gemeinden heraus: Ausschluss von Jugendlichen, die sich nicht an der Jugendweihe beteiligten, vom Studium; Ausschluss von beruflicher Karriere für Menschen ohne Mitgliedschaft in einer der Blockparteien; Beschwernisse der Reisefreiheit. Letztes Stichwort kommt dann auch im Querfurter Papier vor.

Dies klingt auf den ersten Blick aber nicht unbedingt nach den ‚großen‘ Themen, die Sie in Naumburg umtrieben.

Ich schlug dem Querfurter Kreis vor, dass wir seitens der Naumburger Gruppe Inhalte aus der Friedensthematik einbringen könnten. Wir haben dann selbst Thesen aufgestellt, die ins Querfurter Papier Eingang gefunden haben. Dabei haben wir das Thema Frieden unter das Stichwort der Versöhnung gestellt und von der individuellen über die gesellschaftliche bis hin zur internationalen Ebene durchdekliniert. Das gipfelt in der Fundamentalkritik: „Friede ohne Versöhnung ist kein echter und bleibender Friede. Er stellt nur die Fortsetzung des Kampfes mit anderen Mitteln dar. Wir können dem Prinzip des Klassenkampfes nicht zustimmen, weil es die Versöhnung mit dem Gegner von vornherein ausschließt.“

Welchen Einfluss konnten Ihre Ideen in der kirchlichen und gesellschaftlichen Öffentlichkeit erreichen?

Das Papier war von Beginn an mit einer Unterschriftensammlung unter Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kirchen verbunden, die sich mit seinem Inhalt solidarisierten. Wir hatten gehofft, dass die beiden leitenden Geistlichen – der katholische Bischof Braun und der evangelische Bischof Krusche – sich das Papier zu eigen machen und es über die offiziellen kirchlichen Kanäle, etwa auf Synoden, verbreiten würden. Das alles gelang nicht, vor lauter Angst – wie Krusche selbst eingestand –, Einschränkungen des kirchlichen Gemeindelebens zu riskieren. Hinzu kam, aufgrund der Beteiligung von uns Naumburger Studenten, die Sorge um die Existenz der Kirchlichen Hochschule.

War damit das Querfurter Papier gänzlich wirkungslos?

Nein. Unsere Botschaft gelangte in viele Kirchengemeinden und vor allem Initiativgruppen wie dem Aktionskreis Halle mit Joachim Garstecki. Wichtig war z. B. auch, dass Wolfgang Ullmann, damals Rektor unserer Hochschule, das Papier in die Hand bekommen hatte. Denn gut zehn Jahre später war er an der Ausformulierung derjenigen Programmschrift beteiligt, in der die Initiative „Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung“ von der SED Dialog und Reformen forderte. Damit wurde aufgegriffen, was wir bereits in Querfurt formuliert hatten: „Statt Einübung in den Hass brauchen wir Tränen in Toleranz, statt Abgrenzung Brücken der Verständigung, statt geistiger und materieller Aufrüstung Bereitschaft, füreinander Opfer zu bringen.“

Auch in weiteren programmatischen Papieren vom Ende der 1980er Jahre finden sich Gedanken und Formulierungen, die auf Querfurt zurückgehen. Das zeigt, dass unser Papier zwar keine Massenwirksamkeit entfalten konnte, aber an die richtigen Menschen gelangte, die die Gedanken weiterentwickelten.

Wenn wir heute, weitere 35 Jahre später auf das Querfurter Papier blicken – was sagt es uns im „Heute“ des Jahres 2022?

Versöhnung muss die Grundlage jeglichen menschlichen Zusammenlebens sein. Wenn sie dies nicht ist, kommt es zu Tot und Zerstörung. Wir haben es nach 1990 versäumt, dem Wort der Versöhnung den nötigen Raum zu geben. Menschlich wie politisch hätten wir mit Blick auf den früheren Ostblock viel mehr Kontakte aufbauen und Netzwerke knüpfen müssen. Wir haben ein Versöhnungshandeln versäumt, das vielleicht Kriege hätte verhindern können.

Heute wiederum müssten wir symbolisch eine Pflugschar zu einem Schwert umschmieden; und zwar auch als Friedenshandeln, da es jetzt mit Bonhoeffer gilt, nicht nur die Verletzten unter dem Rad zu verbinden, sondern dem Rad in die Speichen zu greifen.

Erschienen in: Glaube + Heimat. Mitteldeutsche Kirchenzeitung 25/2022 und Die Kirche – Evangelische Wochenzeitung 26/2022.