70 Jahre danach: Ausstellung in der Berliner Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Von Tilman Asmus Fischer
„Die letzte verantwortliche Frage ist nicht, wie ich mich heroisch aus der Affäre ziehe, sondern wie eine kommende Generation weiterleben soll.“ – Worte ‘des’ Theologen des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus, Dietrich Bonhoeffer. Mit ihm verbinden sich die großen Namen, an die Deutschland alljährlich am 20. Juli erinnert: Dohnanyi, Lehndorff, Stauffenberg…
Doch waren es nicht nur Angehörige eines Teils der Eliten, die darauf verzichteten, sich heroisch aus der Affäre zu ziehen. Neben ihnen stehen Unzählige unterschiedlicher Herkunft, die sich zum Widerstand verpflichtet sahen. Auch an sie wird mit der neugestalteten Dauerausstellung der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin erinnert – unter ihnen mutige Protestantinnen und Protestanten. Dabei stehen sie nicht für die gesamte evangelische Kirche – in der es schließlich die „Deutschen Christen“ waren, die einer Gleichschaltung positiv gegenüberstanden. Auch solche Schattenseiten werden beleuchtet, ohne jedoch das Wesentliche aus den Augen zu verlieren: Widerständigkeit zwischen 1933 und 1945.
Hierfür steht etwa Lothar Kreyssig: 1940 sah er sich als Vormundschaftsrichter in Brandenburg an der Havel gezwungen, Anzeige gegen NSDAP-Reichsleiter Philipp Bouhler zu stellen – Vorwurf: Mord. Grund war die Aktion T4 – die Tötung geistig und körperlich Behinderter. Wenn Kreyssig auch einer Inhaftierung entging, bezahlte er seinen Widerstand mit der Versetzung in den Ruhestand. Seine Biografie und sein Porträt stehen im Raum „Widerstand aus christlichem Glauben“ – im Rundgang nach der Arbeiterbewegung und vor den Künstlern – für eine Facette des christlichen Widerstandes.
Ebenfalls ihres Amtes enthoben wurde die Breslauer Theologin Katharina Staritz, die seit 1938 in der „Kirchlichen Hilfsstelle für evangelische Nichtarier“ in Schlesien tätig gewesen war. 1941 forderte sie die Pfarrämter Breslaus auf, die durch den Judenstern diskriminierten Gemeindeglieder nicht auszugrenzen. Über die sogenannte Schutzhaft ab 1942 gelangte sie später ins Konzentrationslager Ravensbrück, das sie 1943 verlassen konnte. Was motivierte Menschen wie Katharina Staritz? „Wenn dem Christen im Rahmen der nationalsozialistischen Weltanschauung ein Antisemitismus aufgedrängt wird, der zum Judenhaß verpflichtet, so steht für ihn dagegen das christliche Gebot der Nächstenliebe.“ So die „Protestschrift der Deutschen Evangelischen Kirche an Reichskanzler Hitler“. Ausführlich dokumentiert die neue Dauerausstellung Programmschriften der unterschiedlichen Widerstandsgruppen. Indem solche Texte dem Besucher zur Lektüre gegeben werden, kann er sich selbst die Gedankengänge erschließen, die Oppositionelle antrieben.
Eine starke Protestantin in der vom Arier- und Männlichkeitswahn erfassten Diktatur war die ‘Halbjüdin’ Senta Maria Klatt. Als wichtige Wegbegleiterin von Otto Dibelius trug sie die konspirative Arbeit gegen die Gestapo mit und setzte sich mit der Erstellung von Fürbittenlisten für verfolgte Kirchenmitglieder ein. Hiermit trug sie selbst ein großes Risiko: Über 20 Mal wurde sie durch die Gestapo verhört – und nur knapp entging sie dem Konzentrationslager.
Nicht nur Protestanten und Katholiken widersetzten sich dem Nationalsozialismus. So gründlich wie die gesamte Ausstellung recherchiert ist, kommen neben diesen auch Quäker und Zeugen Jehovas zur Sprache. Immer wieder erstaunlich ist es, zu erfahren, wie vielseitig der deutsche Widerstand gegen den Nationalsozialismus war. Obwohl er am Ende zu schwach war, das System zu stürzen.
In ähnlicher Form erschienen in: Die Kirche. Evangelische Wochenzeitung 29/2014.
Informationen: Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Stauffenbergstraße 13–14, 10785 Berlin (Mitte); http://www.gdw-berlin.de. Öffnungszeiten: Montag bis Mittwoch und Freitag 9–18 Uhr, Donnerstag 9–20 Uhr, Sonnabend, Sonntag und an Feiertagen 10—18 Uhr; Eintritt frei.